Ausgestorbene Tiere aus dem Genlabor Soll das Mammut zurückkehren?

So könnte es ausgesehen haben, als noch Wollnashörner (links) und Mammuts (rechts) durch die Lande streiften. Illustration: imago/StockTrek Images Foto:  

Manche Wissenschaftler träumen davon, mit Gentechnik und Rückzüchtungen Tierarten wiederzubeleben, die schon lange ausgestorben sind. Bei Naturschützern stößt diese Idee auf großen Widerstand.

Stuttgart - Der Genetiker George Church lässt sich gern mit Mammuts fotografieren. Viele kleine Stofftiere mit markanten Stoßzähnen und wolligem Fell hat der Wissenschaftler geschenkt bekommen, seit er mit einer scheinbar verrückten Idee vor fünf Jahren an die Öffentlichkeit gegangen ist. George Church will mit einem Team der Harvard-Universität das Mammut wiederbeleben.

 

Die letzten dieser Eiszeitgiganten starben vor etwa 4000 Jahren aus, aber der ständig gefrorene Boden in Sibirien konservierte die Skelette der mächtigen Tiere und größere Mengen ihrer DNA bis in die heutige Zeit. So kommt es, dass die Wissenschaft viele genetische Informationen über die bis zu 4,5 Meter großen Tiere besitzt. Vor mehr als zehn Jahren haben Forscher der Universität Pennsylvania etwa drei Viertel des Erbguts des Mammuts entschlüsselt. Ihre Arbeit liefert eine Art Bauplan für die Rekonstruktion der ausgestorbenen Tierart.

Ausgangspunkt für dieses Experiment wäre der nächste noch lebende Verwandte des Mammuts: der Asiatische Elefant. Einige Tausend Gene müssten im Elefantengenom verändert werden, damit sich das Rüsseltier zumindest im Aussehen zu einem Mammut verwandelt. George Church verfügt über ausreichend Erfahrung in der Bearbeitung des Erbguts, so dass es tatsächlich denkbar erscheint, dass in Harvard neue Mammuts entstehen.

In Sibirien hätten Elefanten genug Platz

Als Mammut könnte der Elefant neue Regionen besiedeln. Das ist nötig, denn die Tiere stehen auf der Roten Liste bedrohter Arten. Ihr Lebensraum in Indien und Südostasien wird vom Menschen zerstört und über Gebühr beansprucht. Im dünn besiedelten Sibirien hingegen, wo einst die Mammuts lebten, fänden die Elefanten genug Platz zum Überleben. Aber leider kommen sie mit den niedrigen Temperaturen nicht zurecht.

Ihnen fehlt das dichte Fell des Mammuts und die besondere Zusammensetzung des Bluts, die den großen Körper auch bei Frostgraden noch mit genügend Sauerstoff versorgt. Beide Probleme lassen sich vermutlich gentechnisch lösen. Das größte Hindernis liegt derzeit nicht in der Veränderung der Gene. Es ist die Biologie der Leihmütter: Die Elefantenkühe werden nicht trächtig, wenn ihnen befruchtete Eizellen eingesetzt werden.

Die schwedische Wissenschaftsjournalistin Torill Kornfeldt sammelt in ihrem Buch über die Rückkehr der Eiszeitgiganten viele Beispiele, welche ausgestorbenen Tiere in einer zeitgemäßen Version demnächst die Erde wieder bevölkern könnten: sei es der Pyrenäensteinbock, das Nördliche Breitmaulnashorn, die Wandertaube, das Wisent oder der Auerochse. Ein beliebter Kandidat ist der flugunfähige Dodo, der im 17. Jahrhundert von hungrigen Seeleuten und ihren eingeschleppten Haustieren ausgerottet wurde, bevor er anschließend als Märchenfigur populär wurde. Nicht immer setzen Forscher dabei auf Gentechnik zum Erhalt einer Art. Für manche Tiere wurden Rückzuchtprogramme aufgelegt oder Spermien und Eizellen der letzten Überlebenden eingefroren. So könnte das Nördliche Breitmaulnashorn vom Weibchen einer anderen Art geboren werden.

Der Mensch als Verwalter der Natur

Viele Biologen und Umweltschützer begleiten die Pläne zur Rückkehr ausgestorbener Arten mit großer Skepsis. Sie bewerten diese Idee als Ausdruck, dass die Menschen sich endgültig zu Verwaltern der Natur gemacht haben. Wer soll entscheiden, welche Tiere und Pflanzen den Aufwand lohnen, dass sie von Forschern wiederbelebt werden? Ist es gerechtfertigt, den Asiatischen Elefanten so zu verändern, dass er in Sibirien überleben kann, weil ihm in seinem derzeitigen Lebensraum kaum Chancen bleiben? Es sei Zeitverschwendung, über die Wiedererweckung ausgestorbener Tiere zu reden, wenn es noch nicht einmal gelingt, die Arten zu retten, die wir noch haben.

Die Skeptiker wollen das Geld und Personal lieber zum Erhalt der vom Aussterben gefährdeten Arten einsetzen. Im Dezember legte die Weltnaturschutzunion IUCN die aktuelle Fassung der Internationale Roten Liste vor. Die Liste umfasst inzwischen 30 178 Tier- und Pflanzenarten. Jede vierte von der IUCN untersuchte Art ist demnach in ihrem Bestand bedroht. Die Naturschutzorganisation WWF befürchtet das „größte Artensterben seit Verschwinden der Dinosaurier“. Der Mensch schlage immer größere Schneisen in die biologische Vielfalt der Erde, klagt WWF-Vorstand Eberhard Brandes. Das Jahr 2020 ist für viele Umweltschützer das Schicksalsjahr für die Artenvielfalt.

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Im Oktober soll eine UN-Konferenz in China die Weichen für der Erhalt der Biodiversität stellen. Experten fordern, sich darauf zu konzentrieren, die bestehende Natur zu retten. „Naturschutz funktioniert vor allem dort, wo er gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung erfolgt und dieser auch zugutekommt“, erklärt Brandes.

Zweifel an der gesellschaftlichen Akzeptanz

Neue Mammuts, eine Horde Auerochsen oder die Rückkehr eines Dodos werden das Artensterben nicht aufhalten. Das behaupten noch nicht einmal die beteiligten Forscher. George Church benutzt für die Veränderung der Tiere den Begriff Erhaltungsbiologie, die die natürliche Anpassung der Arten als Vorbild haben könnte. Andere Forscher wollen gefährdeten Tieren den Lebensraum zurückgeben, den sie einst besiedelt haben.

Doch wenn das Mammut kommt, wollen es die Menschen in der Region überhaupt? Die aktuelle Debatte um die Wiederansiedlung des Wolfs in Deutschland lässt zumindest Zweifel aufkommen. Wölfe reißen Schafe und wecken Ängste. Selbst die harmloseren Wisente sind nicht überall willkommen. Deutschlands einzige frei lebende Herde wurde 2013 im Rothaargebirge ausgewildert. Die 30 Tiere beschäftigten im Juli sogar den Bundesgerichtshof. Die Waldbesitzer verlangen, dass die Wildrinder in den Nationalpark Bialowieza an der polnisch-weißrussischen Grenze umgesiedelt werden, weil sie den heimischen Baumbestand schädigen. Das NRW-Umweltministerium hat die Waldbesitzer entschädigt. Ein Gutachten in Auftrag des Ministeriums soll jetzt klären, ob die Wisente weiter dort leben dürfen, wo sie bis zum 18. Jahrhundert heimisch waren.

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