Das Kinderhaus „Im Weckholder“ in Aichtal-Grötzingen besticht durch Lichtdurchflutung, Sichtbeton und hohe Funktionalität. Dafür wurde das vom Stuttgarter Büro Simon Freie Architekten entworfene Gebäude mit einer Hugo-Häring-Auszeichnung bedacht.

Aichtal - Gemeinhin gehen in Kindertagesstätten Kinder, Eltern und Erzieherinnen ein und aus. In der Einrichtung „Im Weckholder“ im Aichtaler Stadtteil Grötzingen kommt eine weitere Gruppe hinzu, die großes Interesse an dem markanten Neubau in der Schwabstraße bekundet: Architekten. Denn die Kinderbetreuungseinrichtung ist im vergangenen Jahr vom baden-württembergischen Landesverband des Bundes Deutscher Architekten mit der renommierten Hugo-Häring-Auszeichnung für vorbildliche Bauwerke im Land bedacht worden. Zuvor schon hatte sich das Stuttgarter Architekturbüro Simon Freie Architekten in einem vor gut sechs Jahren von der Stadt ausgelobten Wettbewerb gegen 17 Konkurrenten durchgesetzt.

 

Große Glasfenster zum Flur hin

Ann-Kathrin Sämann leitet das Kinderhaus Weckholder seit vergangenen Oktober. Doch ihren Arbeitsplatz hat sie dort schon seit der Eröffnung der Einrichtung im Jahr 2016. Und sie räumt ein, dass das mit viel Sichtbeton und gläsernen Wänden ausgestattete Gebäude für sie und ihre Kolleginnen – obwohl großzügig und lichtdurchflutet gestaltet – zunächst „gewöhnungsbedürftig“ gewesen sei.

Was der Architekt Christof Simon als „die Gruppenräume sind zum als Strukturachse ausgebildeten Mittelflur hin in voller Breite und Höhe verglast“ beschreibt, hätten einige der Erzieherinnen als „steril wie ein Krankenhaus“ und in Verbindung mit den hellen Wänden als „so weiß und so kahl“ empfunden. Durch die gläsernen Wände schauten andere Kinder vom Flur in die jeweiligen Räume hinein, „wodurch die drinnen schnell abgelenkt werden“, sagt Ann-Kathrin Sämann. Die Jury hingegen hatte dies als förderlich beschrieben für „die interne Kommunikation und die soziale Interaktion zwischen den einzelnen Gruppen“. Aber Abhilfe sei mit Vorhängen als Sichtschutz geschaffen worden, sagt Ann-Kathrin Sämann, „hinter denen sich die Kleinen zudem prima verstecken können“ – zumal diese fast immer zugezogen seien. Auch sei es schwierig gewesen, ob der vielen Glasflächen überhaupt die Möbel zu stellen oder Bilder an den Wänden zu drapieren, da „man keine Nägel einschlagen kann“. Aber mit einem Schienensystem sei letzteres Problem gelöst worden.

Inzwischen hätten sich alle an das moderne und dennoch zweckmäßige Gebäude gewöhnt, auch wenn es ungewöhnlich sei, dass ausgerechnet die zu öffnenden Fenster sowie Terrassen- und Balkontüren aus Holz seien, erklärt die 30-jährige Leiterin der Kindertagesstätte. Das Raumkonzept habe letztlich alle überzeugt. Im Erdgeschoss befinden sich die Krippenräume für die bis zu Dreijährigen. Dazu können sich die Kleinen in einem großzügigen Bewegungsraum an der Kletterwand, mit Hüpftieren und an allerlei Turngeräten austoben. Im Obergeschoss können sich die älteren der insgesamt 85 Kinder voll entfalten. Ihnen stehen eine Forscherwerkstatt für Experimente, eine Bauwerkstatt, ein Spielraum, eine Sprach- sowie Näh- und Kreativwerkstatt, ein Atelier und ein Musikraum zur Verfügung. Auf angehobenen Zwischenebenen in den hohen Räumen sind weitere Spielbereiche entstanden.

Stimmig und funktional

Alles sei stimmig und für den Alltag funktional angelegt, sagt die 30-Jährige. Die Wickel- und Schlafräume im Erdgeschoss sind den Gruppenräumen direkt angegliedert. In die hohen Funktionsräume der Drei- bis Sechsjährigen sind jeweils würfelförmige Räume zur Lagerung von Materialien integriert, was Sämann zufolge „viel Platz spart“. Apropos Platz – der sei insgesamt ausreichend vorhanden, sagt sie, „obwohl man davon ja nie genug haben kann“. Vor allem der Außenbereich könnte größer sein, aber das sei in dem Wohngebiet wohl nicht möglich gewesen.

Ann-Kathrin Sämann hat in ihrer Karriere als Erzieherin auch schon in alten Einrichtungen gearbeitet. In denen habe man das Konzept der Betreuung auf die jeweiligen Gegebenheiten abstimmen müssen. Im Weckholder sei es genau anders herum gelaufen. Die neu gebaute Einrichtung habe alle Möglichkeiten geboten, gewünschte pädagogische Konzepte umzusetzen, sagt sie und weist in diesem Zusammenhang in erster Linie auf die Funktionsräume im ersten Stock hin.

In einem Punkt sind sich Architekt und Erzieherin absolut einig. An jeder Stelle des Flurs biete sich „ein Ausblick“ in die Gärten, auf die Schwäbische Alb oder ein freies Feld, sagt Simon. Sämann bestätigt das. Es sei für die Kinder stets ein „Highlight, wenn der Mähdrescher kommt“.

Das Kinderhaus Weckholder

Die Architekten Das Stuttgarter Büro Simon Freie Architekten ist schon mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden. Für das Kinderhaus Weckholder in Aichtal, das rund vier Millionen Euro gekostet hat, gab es eine Hugo-Häring-Auszeichnung.

Die Auszeichnung
Hugo Häring (1882–1958) war ein bekannter deutscher Architekt. Nach ihm ist jener Preis benannt, der vom Landesverband des Bunds Deutscher Architekten für vorbildliche Bauwerke in Baden-Württemberg verliehen wird.

Das Gebäude
Die Jury lobte die „wohlproportionierte“ Kita, die sich „sehr gut in die örtliche Bebauung am Rande von Aichtal einfügt“. Es sei zu spüren, dass sich die Kinder und die Mitarbeiter an diesem Ort „wohlfühlen und hier ein zweites Zuhause bekommen haben“.