Annette Brosig hilft als Freiwillige Kranken auf einem Hospitalschiff. Um vor der afrikanischen Küste arbeiten zu können, zahlt sie monatlich für Kost und Logis. In Deutschland erntet sie oft Kritik für ihren unsteten Lebensstil.

Kirchheim - Fragt man Annette Brosig, was sie normalerweise tut, wenn sie nicht gerade in Afrika Kranke versorgt, dann sagt sie, so etwas wie „normalerweise“ gebe es bei ihr nicht. „Ich habe kein so deutsches Leben.“

 

Die 39-jährige Kirchheimerin ist Krankenschwester, aber in deutschen Krankenhäusern hält sie es nie lange aus. Stattdessen ist sie jetzt schon zum zweiten Mal als Freiwillige auf dem Hospitalschiff Africa Mercy der amerikanischen Organisation Mercyships. Dort, in Häfen westafrikanischer Städte, ist sie Teil einer 400-köpfigen ehrenamtlichen Crew, die die Bevölkerung medizinisch versorgt. „Die Dankbarkeit, wenn wir den Patienten Lebensqualität wiedergegeben haben, ist der größte Anreiz für so einen Einsatz“, sagt Brosig.

Die Freiwilligen zahlen, statt Lohn zu bekommen

Einen finanziellen Anreiz gibt es auch nicht. Statt Lohn zu bekommen, zahlen die Freiwilligen 680 US-Dollar pro Monat, wenn sie nicht länger als zwei Jahre auf dem Schiff helfen wollen. Brosig plant, mindestens drei Monate zu bleiben. In ihrem Kirchheimer Umfeld stößt sie mit ihrer Lebensweise auf Unverständnis.

„Man wird hier in Deutschland für so einen Lebensstil wahnsinnig viel kritisiert“, sagt Annette Brosig. Dass sie Sicherheiten wie einen festen Job so bereitwillig aufgibt, verstehen viele nicht. Und auch, dass der Weitgereisten – sie hat auch schon jahrelang in Australien gearbeitet – Familie und ein Haus mit Garten wenig bedeuten, weckt Skepsis. „Ich bin eben mit der Freiheit verheiratet“, sagt Brosig. Ihr fehle in Deutschland die Flexibilität.

Die christliche Prägung stört nur wenige Patienten

In Australien erfuhr sie von der christlichen Organisation Mercyships und sie entschied sich, es zu versuchen. Aus einer übermäßig religiösen Familie stammt sie nicht, doch die besondere Atmosphäre, die der christlichen Hintergrund auf dem Schiff schafft, lernte sie bald zu schätzen. „Man ist dort nicht auf sich allein gestellt.“

Das Schiff, eine ehemalige Fähre, wird von den Landesregierungen eingeladen. Brosigs erster Einsatz führte sie nach Guinea.Es sei ein Lebenstraum gewesen, nach Afrika zu gehen. Dass das Schiff unter christlicher Flagge segelt, störe selbst in muslimisch geprägten Ländern nur wenige Patienten, sagt Brosig. Die meisten nähmen einfach dankbar hin, dass die Ärzte sie ohne Bezahlung von teils jahrelangen Leiden erlösten. Notfallversorgung macht die Africa Mercy nicht, sondern kümmert sich um chirurgische Eingriffe etwa bei entstellenden Tumoren, orthopädischen Problemen oder stigmatisierenden Schwächen wie Inkontinenz bei Frauen als Folge von Geburtskomplikationen.

Wenig Sorgen, viel Zuversicht

Finanziert wird das Schiff samt Besatzung über Spenden und die Bezahlung der Freiwilligen. Manche amerikanische Chirurgen, erzählt Brosig, blieben jahrelang mitsamt Familie auf dem Schiff, unterstützt von ihren Heimatgemeinden. Ganz so drastisch sind Brosigs Pläne dann doch nicht. „Ich sollte vielleicht hier auch ein bisschen Fuß fassen“, meint sie. Doch Zukunftsängste sind ihr fern. „In der Bibel heißt es, man soll sich nicht so viel sorgen“, sagt sie. „also sorge ich mich auch nicht.“