Der Karlsruher SC gilt als schwarzes Schaf – es ist aber nicht das einzige im deutschen Fußball. Dass sich die Situation nach dem Abstieg entspannt, damit rechnet niemand.

Sport: Joachim Klumpp (ump)

Karlsruhe - Als hätte Reinhold Gall das Unheil kommen sehen. Noch am vergangenen Wochenende beim Verbandstag des Württembergischen Fußball-Verbandes in Sindelfingen hatte der Innenminister des Landes gesagt: „Ich bin mit der Sicherheitslage beim Fußball in dieser Saison alles andere als zufrieden.“

 

Zwei Tage später schon durfte sich der Politiker bestätigt fühlen. Am Montagabend kam es nach dem Relegationsspiel zwischen dem Karlsruher SC und Jahn Regensburg in und um das Wildparkstadion zu schweren Ausschreitungen, in deren Verlauf 118 Personen (vorübergehend) festgenommen und 75 verletzt worden sind. Ein trauriges Bild, das zum Niedergang des Traditionsclubs passte. „Bei allem Verständnis für die Enttäuschung nach dem Abstieg ist das Verhalten der Krawallmacher inakzeptabel“, betonte Gall am Dienstag, nachdem diesmal „nur“ 222 Polizeibeamte im Einsatz waren, weil nicht mit der gleichen Brisanz zu rechnen war wie am 6. Mai beim Hochsicherheitsspiel gegen Eintracht Frankfurt, als 1570 Beamte für eine Rekordzahl in der zweiten Liga gesorgt hatten.

Sitzplätze auf Kosten der Stimmung

Dass sich das Problem keineswegs nur auf das Land Baden-Württemberg beschränkt, zeigt eine Aussage des neuen DFB-Generalsekretärs Helmut Sandrock. Der hat am Dienstag angekündigt, noch in diesem Monat sich des Themas Gewalt im Fußball anzunehmen, zugleich betonte er aber: „Niemand von uns hat ein Patentrezept in der Tasche.“ Zuletzt wurde sogar die Abschaffung der traditionellen Stehplatzbereiche angedacht, was bei der Fanbasis zu einem Aufschrei geführt hat. Die befürchtet die weitere Kommerzialisierung des Sports und eine damit verbundene Erhöhung der Eintrittspreise.

In England sind mit reinen Sitzplatzarenen zumindest in der Premier League gute Erfolge erzielt worden – allerdings auf Kosten der Stimmung in den Stadien und auch der Zuschauerzahlen, weil sich viele „normale“ Fans die Preise nicht mehr leisten können. Sandrock forderte daher zunächst einmal: „Wir müssen die gemeinsamen Instrumente, die wir haben, noch effektiver nutzen.“ Ähnlich sieht man das im Innenministerium des Landes. Gall: „Wir müssen uns jetzt mit dem Karlsruher SC zusammensetzen, um das Problem in den Griff zu bekommen.“

Experten rechnen nicht mit Entspannung

Ganz oben auf der Agenda stehen die Fanbetreuung, aber auch die Zusammenarbeit zwischen Ordnungsdienst und Polizei sowie die Verhängung und Einhaltung von Stadionverboten. „Die Sanktionsmöglichkeiten werden nur zum Teil ausgeschöpft“, sagte Sandrock.

„Weder die Mannschaft noch Teile der Fans haben sich zweitligatauglich erwiesen“, sagte ein Polizeisprecher in Karlsruhe, nachdem die Auseinandersetzungen vor dem Stadion bis gegen 3 Uhr am Dienstagmorgen andauerten. „Die Motivation der Polizei für die Sicherheit ist hoch, aber ihre Ressourcen sind nicht endlos“, sagt Gall in diesem Zusammenhang. Entsprechend hält es der Bundesvorsitzende der Polizeigewerkschaft (GdP), Bernhard Witthaus, nicht mehr länger für hinnehmbar, dass „eine Gruppe von skrupellosen Chaoten den Fußball in Sippenhaft“ nehme.

Dabei ist nach Einschätzung der Experten im Innenministerium Baden-Württemberg nicht mit einer Entspannung zu rechnen – im Gegenteil. Die Erfahrung in den fünf höchsten Spielklassen (also einschließlich Oberliga) zeigt, dass mit der abnehmenden Ligazugehörigkeit das Gewaltpotenzial durchaus steigen kann: siehe Waldhof Mannheim, der SSV Ulm oder der SSV Reutlingen. Sandrock gab außerdem zu bedenken: „Gewalt ist ein gesellschaftliches Problem – und wir werden es nicht alleine lösen können.“