Eine Gesprächsnotiz sorgt im U-Ausschuss für Diskussion: Hat Stefan Mappus ein hartes Vorgehen gegen Baumbesetzer erwartet?

Stuttgart - Es war abzusehen gewesen, dass der CDU-Obmann Ulrich Müller dem Zeugen Wolfgang Drexler diese Frage nicht ersparen würde. Ob er eine Einflussnahme der Politik wahrgenommen habe", wollte Müller im Untersuchungsausschuss zum Polizeieinsatz im Schlossgarten von dem Sozialdemokraten Drexler wissen. Drexler hatte bis Mitte September als Sprecher des Kommunikationsbüros für das Projekt Stuttgart 21 fungiert. Die Abgeordneten der Regierungsfraktionen lächelten süffisant, die Vertreter von SPD und Grünen blickten melancholisch. Nein, antwortete Drexler, "für die Zeit, in der ich Sprecher war, kann ich das ausschließen".

Nach Auskunft des stellvertretenden Landtagspräsidenten Drexler war schon vor den Sommerferien klar gewesen, dass unmittelbar nach dem 30. September - zu diesem Zeitpunkt endete die Wachstumsperiode und damit das Verbot des Baumschlags - mit den Baumfällarbeiten begonnen würde. Bei einer Besprechung am 20.September sei die Nacht vom 30. September auf den 1.Oktober als Einsatzbeginn festgelegt worden. Die Details sollten der Stuttgarter Polizeipräsident Stumpf und der Bahn-Manager Hany Azer besprechen. Drexler fügte hinzu, er sei immer davon ausgegangen, nicht nur die Baumfällaktion, sondern auch die vorherige Absperrung des Geländes durch die Polizei würde nachts erfolgen. "Damit haben wir am Nordflügel gute Erfahrungen gemacht", sagte Drexler.

Mappus wollte wissen, wo der Schuh drückt


Der zentrale Zeuge im Untersuchungsausschuss war allerdings nicht Drexler, sondern der im Staatsministerium beschäftigte Polizeidirektor Franz Semling. Er hatte jenes Protokoll des Besuchs des Ministerpräsidenten Stefan Mappus bei der Polizei verfasst, auf das die Opposition in ihren Aufklärungsbemühungen so große Hoffnungen setzt. Am 20. September war Mappus in Begleitung von Verkehrsminsterin Tanja Gönner beim Polizeipräsidium Stuttgart vorgefahren. Aus der Perspektive des 30. Septembers erscheint dieser Auftritt zehn Tage vor dem Schlossgarteneinsatz als verfänglich.

Semling begründete im Untersuchungsausschuss den Besuch damit, der Regierungschef habe die Stimmung bei der Polizei erkunden und den Beamten "moralische Rückendeckung" geben wollen. Die Belastung durch das Projekt Stuttgart 21 sei schon zu diesem Zeitpunkt hoch gewesen, Mappus habe sinngemäß wissen wollen, wo der Schuh drückt. Anschließend zogen sich Mappus und seine Entourage zu einem Gespräch in kleiner Runde in das Büro von Polizeipräsident Stumpf zurück. Mit dabei waren Tanja Gönner, der CDU-Abgeordnete Thomas Blenke, Mitglied des Untersuchungsausschusses, sowie der Landespolizeipräsident Wolf Hammann und der Polizeiinspekteur Schneider. In seinem Protokoll vermerkte Semling: "MP erwartet offensives Vorgehen gegen Baumbesetzer (keine Verfestigung)." Die Opposition erkennt darin ein Indiz für die von ihr behauptete Eskalationsstrategie des Ministerpräsidenten im Streit über Stuttgart 21.

Polizisten trafen auf "normale Bürger"


Semling sagte im Ausschuss, der Satz gebe kein wörtliches Zitat des Regierungschefs wieder, enthalte aber den Tenor des von Mappus Gemeinten. Vorangegangen war ein von den Polizeiführern eröffnetes Gespräch über die Baumbesetzungen. Die Polizei habe vorgetragen, die Bevölkerung könne es als falsches Signal verstehen, wenn gegen die Baumbesetzer nicht eingeschritten werde. Außerdem führe dies zu einer Verfestigung der Szene im Schlossgarten. Konkret sei es um sieben bis acht besetzte Bäume gegangen. Mappus habe das Gesprächsergebnis "zusammengefasst und besonders herausgestellt".

Semling fügte hinzu, nach seinem Eindruck habe Stumpf zu diesem Zeitpunkt schon ein klares strategisches Konzept gehabt. Dazu passt allerdings nicht eine Mail des Polizeipräsidenten vom folgenden Tag, in dem Stumpf vor einer schnellen Räumung der Bäume warnte. Die Polizei sei zu stark anderweitig belastet, schrieb Stumpf.

Weitere Polizisten aus anderen Bundesländern berichteten im Ausschuss. Neues trat dabei nicht zutage: die Alarmierung der auswärtigen Polizeihundertschaften erfolgte äußerst kurzfristig. Die Polizisten trafen im Schlossgarten auf "normale Bürger", die sich aber sehr aggressiv der Polizei entgegengestellt hätten.