Die regelrechte Hinrichtung Michèle Kiesewetters zählt zu den rätselhaftesten Kriminalfällen. Am Donnerstag hat sich der Neonazi-Untersuchungsausschuss des Bundestags mit der Tat befasst. Viele Details bleiben rätselhaft.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Die baden-württembergische Polizei und der Verfassungsschutz haben sich bei den Ermittlungen zu dem Mord auf der Heilbronner Theresienwiese nicht mit Ruhm bekleckert. Mit dem mysteriösen Fall hat sich am Donnerstag der Neonazi-Untersuchungsausschuss des Bundestags befasst. Viele Details bleiben rätselhaft. Viele Ungereimtheiten lassen sich in der Rückschau nur schwer erklären.

 

Untätigkeit ist den Fahndern nicht vorzuwerfen. Sie haben 5017 Spuren verfolgt und 1032 Hinweise überprüft. Mehr als 30 000 Autos wurden kontrolliert, zigtausende von Handytelefonaten mit anderen Ermittlungsergebnissen abgeglichen. Doch nach wie vor bleiben die Motive der Täter und der Verlauf der Tat unklar. Niemand weiß, wie viele Personen daran beteiligt waren und wie sie der Polizei entkommen konnten. Der aktuelle Leiter der zuständigen Sonderkommission, Axel Mögelin, stand im Ausschuss dazu Rede und Antwort. Sein Fazit: „Wir haben viele Puzzlesteine, die nicht passen oder in wechselnden Konstellationen zusammengesetzt werden können.“

Hypothesen, aber kein schlüssiges Gesamtbild

Eines der Rätsel knüpft sich an ein Autokennzeichen: Nur 37 Minuten nach den tödlichen Schüssen passierte ein Wohnmobil bei Oberstenfeld einen Polizeiposten. Die Beamten notierten die Nummer – doch es dauerte Jahre, bis diese überprüft wurde. Dabei stellte sich heraus, dass der Wagen von einem Helfershelfer des Zwickauer Neonazi-Trios gemietet war. Eva Högl, die SPD-Obfrau im Untersuchungsausschuss, nannte es „tragisch, dass dem nicht intensiver nachgegangen worden ist“.

Vor der Enttarnung der rechten Terrorzelle habe es „keine belastbaren Hinweise“ gegeben, dass der Mord an Kiesewetter Teil einer Serie sein könnte, sagte Mögelin. Die Ceska-Morde, benannt nach der Tatwaffe, habe die Polizei „nicht im Fokus“ gehabt. Indizien, die auf einen rechtsextremistischen Hintergrund hinwiesen, hätten nicht vorgelegen. Mögelin geht bis heute davon aus, dass es sich bei dem Polizistenmord nicht um einen gezielten Anschlag gehandelt habe, allenfalls um einen Racheakt gegen die Polizei. Kontakte des Opfers zur rechten Szene hätten sich nicht finden lassen. Was die Täter angeht, gebe es „kein durchgängig schlüssiges Bild“. Es gebe mehrere Hypothesen, die von mindestens zwei bis zu sechs Verdächtigen ausgingen.

Was hat Zschäpe in Ludwigsburg getrieben?

Zu den ungelösten Rätseln zählt die Frage, weshalb der Patenonkel des Opfers, selbst Polizist und zeitweise auch beim Staatsschutz tätig, frühzeitig einen Zusammenhang mit der Neonazi-Mordserie vermuten konnte. Unklar ist auch, was es mit blutverschmierten Taschentüchern und einigen Kleidungsstücken auf sich hat, die unweit des Tatortes gefunden aber erst Jahre nach dem Mord untersucht wurden. Sechs DNA-Spuren seien noch nicht restlos analysiert, berichtete Mögelin. Auch die Spekulationen über eine angebliche Geheimdienstaktion, die zeitgleich zum Mord in Tatortnähe stattgefunden habe, ist noch nicht restlos aufgeklärt. Und dann bleibt die Frage, was Beate Zschäpe, die einzige Überlebende des Neonazi-Trios, in Ludwigsburg getrieben hat. Die Polizei hat ein Foto von ihr von einem Besuch im Schloss.