Bei der Diskussion um den Geräuschpegel, der im Sommer von Lokalen ausgeht, geht es um Grundregeln des Zusammenlebens in der Großstadt, meint unsere Redakteurin Christine Bilger.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Alle Jahre wieder geht es von Neuem los: Wie viel Lebenslust vertragen wir Städter, wie viel Ruhe brauchen wir Großstadt-Gestressten? In diesem Sommer ist nun also die Sattlerei an der Reihe, weil sich Nachbarn über die Geräuschkulisse der Gäste im Freien beschwert haben. Auch wenn die Polizei nach den Beschwerden bisher noch keine tatsächlichen Ruhestörungen festgestellt hat, hier fühlen sich Nachbarn gestört.

 

Da stellt sich natürlich die Frage, womit man rechnen muss, wenn man mitten in der Stadt wohnen will. Verkehrslärm, Martinshorn, Eisenbahn, Handwerker und Lieferverkehr, bis hin zum Getrappel im Treppenhaus, wenn die jungen Nachbarn nebst Clique nach dem Vorglühen ins Nachtleben aufbrechen, und dann auch noch Singvögel, die lauter trällern als ihre Artgenossen auf dem Land, um gegen die Geräuschkulisse anzukommen: Sie alle stimmen ein in die Großstadtsymphonie, die natürlich mitunter auch von Misstönen durchsetzt ist. Das gehört dazu, und all das weiß man auch, wenn man in die Stadt zieht. Das will man sogar – kurze Wege, Leben in den Gassen, ein Stadtmensch braucht das.

Toleranz heißt nicht, dass man alles erdulden muss

Der Großstädter zeichnet sich also durch eine gewisse Toleranz aus, wenn es darum geht, den Mitmenschen ein gutes Leben zu gönnen. Das heißt im Umkehrschluss jedoch nicht, dass man alles erdulden muss. Wer sich gestört fühlt, kann das melden. Die Behörden haben Möglichkeiten, einzuschreiten, wenn es schlimm wird.

Im Umkehrschluss ist jedoch auch eine weitere Tugend gefragt, von allen, die Spaß haben wollen in der Stadt: Sie tun das nun mal vor der Haustür und unterm Schlafzimmerfenster ihrer Mitmenschen. Wenn der Wirt auch am schönsten aller Sommerabende zum Umsiedeln ins Innere bittet, dann ist das weder spießig noch provinziell, sondern dann gebieten es Respekt und Anstand, das auch zu tun.

Was in jedem Fall hilft, das betonen die Stuttgarter Wirte unisono, und das versuchen nun auch die Anrainer und die Wirte in der Tübinger Straße: Sie wollen sich zusammensetzen und ein Gespräch führen, um die entstandenen Konflikte aus der Welt zu schaffen. Gut so. Denn miteinander zu sprechen war schon immer besser als übereinander zu reden.