Mittelständler laden Bernd Lucke, den Chef der eurokritischen Partei „Alternative für Deutschland“, auf ihre Veranstaltungen ein. Die großen Wirtschaftsverbände sind da zurückhaltender.

Berlin - Wenn am Donnerstag und Freitag 300 Unternehmenschefs in Dresden zusammenkommen, hören sie keine Reden von Bundesministern und dem Spitzenpersonal der großen Koalition. Die Aufmerksamkeit richtet sich auf jemanden, der neu im politischen Geschäft ist: Bernd Lucke, Parteivorsitzender der eurokritischen Alternative für Deutschland (AfD). Der Spitzenkandidat zur Europawahl wurde vom Verband Die Familienunternehmer nach Sachsen eingeladen. Lucke spricht auf dem Familienunternehmer-Treffen gleich zu Beginn des zweiten Tages. Eine Stunde hat er Zeit, um über den Euro und die Zukunft Europas zu referieren. Erst später im Programm treten FDP-Chef Christian Lindner und EU-Kommissar Günther Oettinger auf. Für den AfD-Politiker ist der Auftritt zur besten Stunde ein schöner Erfolg.

 

Während die großen Verbände wie der Industrieverband BDI, die Kammern und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) den Kontakt mit den Eurokritikern meiden, kennen die Familienunternehmen keine Berührungsängste. Schon in der Gründungsphase hatten sich Lucke mitsamt einigen, der AfD nahestehenden Ökonomen vertraulich mit Mittelständlern getroffen. Damals wurde noch über den Untergang des Euro spekuliert und Luckes Thesen wurden von manchem Unternehmer geteilt. Öffentlich wollte sich aber kaum ein Firmenchef zur neuen Bewegung bekennen. Ein Grund dafür ist auch, dass die großen Wirtschaftsverbände bei der Eurorettung eng an der Seite der Kanzlerin stehen.

Luckes Auftritt vor hochrangigen Wirtschaftsvertretern

Umso überraschender ist, dass nun einige Verbände ihre Zurückhaltung gegenüber der AfD aufgeben. Just zu einem Zeitpunkt, an dem der Höhepunkt der Krise überwunden scheint, bieten die Familienunternehmen der AfD jetzt ein Forum. Nicht nur in Dresden darf Lucke vor Unternehmern sprechen. Auch der renommierte Stuttgarter Anwalt und Wirtschaftsberater Brun-Hagen Hennerkes, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen, verschafft Lucke einen Auftritt vor hochrangigen Wirtschaftsvertretern.

Die Stiftung hat mit dem anderen Verband nichts zu tun und wird von 400 großen Familienunternehmen getragen. Sie pflegt gute Kontakte zu allen Parteien. Mitte Mai lädt die Stiftung den AfD-Chef Lucke zusammen mit der Zeitung „Die Welt“ zu einem Streitgespräch über die Zukunft der gemeinsamen Währung. Auffallend bei dieser Tagung: Kein Spitzenpolitiker aus der großen Koalition sitzt auf dem Podium. Lucke soll mit dem CDU-Europapolitiker Elmar Brok debattieren. Der Geschäftsführer der Stiftung, Stefan Heidbreder, sagt: „Das ist die erste Veranstaltung mit der Stiftung Familienunternehmen, bei der Herr Lucke auf dem Podium sitzt.“ Daraus solle nichts abgeleitet werden. „Uns ist wichtig, dass unterschiedliche Standpunkte vertreten werden.“

„Viele Fragen der AfD sind auch unsere Fragen“

Der Verband Die Familienunternehmer will mit der Einladung an die AfD ein Zeichen setzen. „Damit zeigen wir, wie unzufrieden wir mit der jetzigen Bundesregierung sind“, erklärt Hauptgeschäftsführer Albrecht von der Hagen. Hagen sagt, Lucke habe als Grund für die Parteigründung einst genannt, er fühle sich von der CDU verlassen. „So geht es uns auch“, sagt von der Hagen. „Viele Fragen der AfD sind auch unsere Fragen“, meinte von der Hagen. Auch wenn die AfD mit populistischen Thesen gegen Zuwanderung und den freien Handel zu punkten versuche, schrecke dies die Familienunternehmer nicht, das Gespräch zu suchen.

Der Verbandschef betont aber, dass die Unternehmen viele Antworten der neuen Partei nicht teilten. Dazu gehört die von der AfD geforderte Ablehnung des transatlantischen Freihandelsabkommens. Die Partei leiste aber interessante Beiträge zur Wirtschaftspolitik. Die Familienunternehmen stellen ihre Zusammenkunft unter das Motto: Gipfeltreffen der außerparlamentarischen Opposition. Die anderen Wirtschaftsverbände wollen das Verhalten der Familienunternehmen nicht kommentieren. Sie machen aber klar, dass sie andere Wege gehen. Weder beim BDI noch beim Arbeitgeberverband BDA habe es Veranstaltungen mit AfD-Vertretern gegeben, heißt es. Es seien auch keine geplant. Mit den Slogans der AfD wie „Mut zu Deutschland“ kann die Wirtschaft ohnehin wenig abfangen. Die Verbände setzen auf das Zusammenwachsen in Europa. BDI-Chef Ulrich Grillo sagte jüngst: „Ein Rückzug in nationale Wagenburgen wäre das genaue Gegenteil von dem, was wir brauchen.“