Auf dem Stuttgarter Fernsehturm genießen Besucher nicht nur die fantastische Aussicht – in luftigen Höhen wurde schon so mancher Heiratsantrag gemacht und Paare vermählt. Doch warum ist der Turm eigentlich der Stuttgarter Liebesstifter schlechthin?

Stuttgart - Jedes Paar hat diesen einen Tag, den es in der Rückschau festlegt als jenen Tag, an dem es geschnackelt hat. An dem beiden klar war: Du und ich sind jetzt ein Wir. Für Petra Oberender und Markus Naleppa ist dieser Tag der 31. Mai 2018. Sechs Tage zuvor waren sie sich in Petra Oberenders Esslinger WG begegnet. Auf jener Party, auf die Markus Naleppa zunächst gar keine Lust gehabt hatte und auf die er dann doch seiner Volleyball-Kollegin zuliebe gegangen war. Der 36-Jährige hat ein Selfie am Bett, das am 31. Mai 2018 entstanden ist. Es zeigt ihn mit seiner Petra auf dem Fernsehturm beim entscheidenden Date. Auf der Heimfahrt im Bus, in der letzten Reihe, bei Dosenbier, fragte er sie, ob sie mit ihm zusammen sein will. Der Rest ist Liebesgeschichte.

 

Heute ist die 30-Jährige mit den bunten Tattoos und dem blitzenden Nasenring seine Verlobte. Händchenhaltend stehen sie wieder auf dem Fernsehturm. Könnte das Stuttgarter Wahrzeichen sprechen, würde es voller Stolz verkünden, dass es der Liebesstifter war. Der mehr als 60 Jahre alte Riese hat für das junge Glück eine zentrale Bedeutung. In der gemeinsamen Wohnung in Neuhausen hängt ein Bild des Bauwerks, auch eine Holzminiatur steht dort. Markus Naleppa geht der Fernsehturm sogar unter die Haut. Auf seinem rechten Oberarm trägt er ihn als Tattoo. „Der Turm symbolisiert für mich Heimat.“ Seit der Wiedereröffnung Anfang 2016 besitzt er eine Jahreskarte.

Die Höhe, der Wind, der Blick auf die Kickers – vom Fernsehturm ist alles geboten

Markus Naleppa ist Busfahrer, und „egal, auf welcher Linie ich fahre, der Turm ist immer da“. Wenn er den 70er über die Filder lenkt, macht er regelmäßig in seinem Schatten Pause und fährt hinauf. Manchmal isst er oben etwas, manchmal schaut er einfach nur runter. Bei Wind und Wetter. „Es gibt Tage, da ist es so neblig, da sieht man nur bis hier“, sagt er und streckt der Arm aus, „dann ist man allein.“ Die Höhe, der Wind, der Blick aufs Spielfeld seines Lieblingsclubs, der Kickers: Markus Naleppa kriegt nicht genug davon, wie er sagt. „Man sieht immer etwas anderes. Jede Richtung ist schön. Land, Stadt, wie der Wald sich verändert. Es ist eine andere Perspektive.“ Im Kessel sehe man die Bewegung, „aber hier oben ist es ruhig“.

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Klar, dass er seiner Petra seinen Turm zeigen musste an diesem heißen 31. Mai 2018. Für die Oberfränkin war es das erste Mal, heute ist sie ebenfalls eine von knapp 2000 Jahreskartenbesitzern. „Wie weit man sehen kann. Überragend“, sagt sie. Ringsrum liegt ihr Baden-Württemberg zu Füßen. Nirgends in der Stadt blickt man weiter. Dort der Schwarzwald, auf der anderen Seite der Stromberg und die Löwensteiner Berge, wieder zur anderen Richtung die Reutlinger und die Geislinger Alb. „Ich habe gemerkt, dass ich mich hier gar nicht auskenne“, sagt sie. Petra Oberender war sofort fasziniert. „Danach habe ich alle Freunde hergeschleppt.“

Viele Paare sehen auf dem Fernsehturm Herzchen

Die beiden sind nicht die Einzigen, die auf dem Fernsehturm Herzchen sehen. „Es kommen viele, viele Paare, hauptsächlich abends“, sagt Lidija Jevtic, eine Kartenverkäuferin. Die vielen Graffiti auf der obersten Plattform zeugen davon. S+H in einem Herz hat jemand mit rotem Lippenstift an die Decke gemalt. „Sehr häufig“ würden 150 Meter über der Erde Heiratsanträge gemacht. „Die Männer kommen dann und sagen: Ich muss schnell hoch, ich muss etwas organisieren“, erzählt die Kartenverkäuferin Lidija Jevtic lächelnd. Und auch für den nächsten Schritt ist der Ausguck zu haben: Hoch über der Stadt wird vermählt. „Von April bis Dezember lassen sich jeweils am ersten Freitag des Monats drei Paare auf dem Fernsehturm trauen“, sagt Claudia Hamann von SWR Media Services.

Heiraten werden Petra Oberender und Markus Naleppa anderswo: Ende September an einem Freitag im Standesamt Neuhausen, tags drauf in der Christuskirche – allein schon wegen der Zahl der Gäste. Ganz aus dem Rennen ist der Fernsehturm aber noch nicht. Beide liebäugeln mit einem Abstecher nach der standesamtlichen Trauung, im kleinen Kreis. „Uns bedeutet der Fernsehturm sehr viel“, sagt Petra Oberender. Markus Naleppa drückt sie an sich. Bevor sie an diesem Tag in den Fahrstuhl abwärts steigen, machen sie noch ein Selfie. So wie am 31. Mai 2018. Als alles begann.

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