Die neue Ausstellung im Kunstwerk Klein ist der Kunst der Aborigines gewidmet. Dabei zeigt sich einmal mehr, warum die Sammlung des Firmenerbes Peter Klein in Eberdingen-Nußdorf zu den bedeutendsten ihrer Art in Europa zählt.

Eberdingen - Die Anekdote sagt viel aus über das Selbstverständnis der Aborigine-Kunst. Als Rover Thomas, einer der bekanntesten Maler der Ureinwohner Australiens, ein Bild von Mark Rothko, einem Superstar der globalen Kunstszene, sah, soll er gesagt haben: „Warum malt der wie ich?“ Ein klammheimliches Linsen auf den globalen Kunstbetrieb ist den Aborigines fremd. Hier ist Kunst weniger ein nach außen gerichteter Ausdruck einer individuellen Persönlichkeit. Vielmehr ist sie kultureller und religiöser Ausdruck; sie ist stark von Chiffren und einer gewissen Binnensicht geprägt und für nicht Eingeweihte nicht ohne weiteres zugänglich.

 

Insofern ist es kaum verwunderlich, dass der Nußdorfer Firmenerbe und Kunstsammler Peter Klein für seine neue Ausstellung eine Ethnologin ins Haus geholt hat. Die Hängung „Neue Bilder – Malerei der Aborigines“ wurde von Ingrid Heermann, der ehemaligen Leiterin der Südsee-Abteilung des Stuttgarter Lindenmuseums, kuratiert. Entsprechend besonders ist ihr Blickwinkel: „Als Ethnologin sieht man in erster Linie den Kontext eines Bildes – auch wenn es einfach nur ein schönes Objekt sein darf“, sagt Heermann bei einem Presserundgang durch die Ausstellung. Der Gastgeber selbst räumt unumwunden ein, dass ihm detailliertes Wissen über die kulturellen Hintergründe und die wie Staatsgeheimnisse gehüteten Chiffren der Aborigine-Kunst abgeht. „Ich sammle das, was mir gefällt“, sagt Peter Klein.

Der Nicht-Eingeweihte versteht reichlich wenig

Zunächst ist es für den Betrachter schwierig, sich von dem Gedanken einer logischen, inhaltlichen Herangehensweise der gezeigten Werke zu lösen – immerhin handelt es sich hier nicht um abstrakte Kunst im westlichen Sinne. Doch wer die Vorurteile abstreift, wird auf den vier Ebenen im Kunstwerk Klein immer tiefer hineingezogen in einen Strudel aus Farben, Formen und teils hypnotisch wirkenden Kompositionen. Dennoch gibt es auch hier einiges zu interpretieren. Zum Beispiel lässt sich anhand der Werke die Entwicklung der traditionellen Kunst der australischen Ureinwohner – geprägt von strengen, durch Punkte geprägten Arrangements in erdigen Farbtönen – hin zu den titelgebenden neuen, freieren Ausdrucksformen mit teils fast schrillen Farben, klaren Linien oder Flächen erkennen.

Besonders eindrucksvoll zeigt sich diese Entwicklung bei zwei Spätberufenen. Emily Kame und May Moodoonuthi haben, berichtet es Ingrid Heermann, erst hochbetagt im Seniorenkurs einer Kunstschule zu malen begonnen. Kame ersetzt die strengen Punkte als künstlerische Vokabel durch größere, pastos wirkende, dicke und flächige Tupfer. Moodoonuthi ist noch radikaler und malt dicke Linien, die mal an einen Käfig, mal an Würmer oder Kratzspuren erinnern – laut der Kuratorin eine Reminiszenz an den alten Ritus der Aborigines, dass sich Frauen, wenn ein enger Angehöriger stirbt, selbst Wunden zufügen.

Nußdorf: ein Zentrum der Aborigine-Kunst

Schlicht faszinierend ist aber ebenso, wie andere, jüngere Künstler Punkte oder Linien als Mittel nutzen, die beim Betrachter optische Effekte auslösen. So wie Manupa Butler: die Malerin lässt durch eng aneinander vorbeilaufende, bunte Linien, die wie ein rechteckiges Schneckenhaus in eine Mitte streben, ein Flimmern entstehen, das seinerseits ein Kraftzentrum in der Bildmitte förmlich spürbar macht.

Die neue Ausstellung zeigt wieder einmal, dass Kleins Sammlung längst zu einem Zentrum der Aborigine-Kunst geworden ist. Mit rund 400 Werken gehört sie zu den bedeutendsten ihrer Art in Europa.