Zakarya Alsaadi ist 2016 als Flüchtling nach Stuttgart gekommen. Jetzt baut er sich hier eine Zukunft auf. Sein Ziel: Fotograf und Filmemacher. In der Geißstraße sind jetzt Fotos von Kindern aus Flüchtlingslagern zwischen Syrien und dem Libanon zu sehen.

S-Mitte - Zakarya Alsaadi lebt für seinen Traum: Er will Dokumentarfilmer werden und so dazu beitragen, die Welt vielleicht ein kleines bisschen besser zu machen. Der 30 Jahre alte Syrer ist 2016 als Flüchtling nach Deutschland gekommen, hat vor seiner Flucht im Grenzgebiet zwischen Syrien und dem Libanon in den Flüchtlingslagern und auf den Straßen Kinder fotografiert. Tausende von Fotos hat er mitgebracht, zwölf davon sind seit gestern pünktlich zum Start des Brunnenfests am Hans-im-Glück-Brunnen im Stadtlebenbüro von Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten zu sehen.

 

Als IT-Experte in Dubai und China

Zakarya Alsaadi hatte als Jugendlicher und junger Mann in Damaskus wohl das, was man gemeinhin eine vielversprechende Zukunft nennt. Er war mitten in Damaskus in einem großen Haus umgeben von einer großen Familie aufgewachsen, hatte Abitur gemacht und angefangen, Informationstechnologie und Computertechnik zu studieren. Er wäre zwar eigentlich schon damals lieber Fotograf und Filmemacher geworden, was schon immer sein Hobby war – „aber das war für meine Familie kein Beruf, es gab auch keinen Studiengang dafür“, erzählt er in fast perfektem Deutsch, das er in den vergangenen beiden Jahren in Stuttgart intensiv gelernt hat.

Noch im Studium bekam er die Chance, in der IT-Abteilung eines Unternehmens in Dubai zu arbeiten. Als die Firma ein Jahr später der weltweiten Finanz- und Börsenkrise zum Opfer fiel, bekam er ein Angebot von einem anderen Unternehmen in China. Dort, in Guangzhou, arbeitete er nicht nur als ITler, sondern belegte auch Fotografiekurse.

Radio, Fernsehen, Theater

Ein Besuch bei seinen Eltern in Damaskus brachte dann seinen vermeintlich vorgezeichneten Lebensweg völlig durcheinander. Die syrischen Behörden befanden bei der Einreise seine Papiere für nicht in Ordnung. Warum, weiß er bis heute nicht. Er konnte das Land nicht mehr verlassen, wurde zum Wehrdienst einberufen. Nach diesen insgesamt 21 Monaten – der Krieg hatte noch nicht begonnen – blieb er in seinem Heimatland, bildete sich als Radio- und Fernsehsprecher weiter, machte Schauspielkurse, arbeitete für syrische Radio- und Fernsehsender, übernahm auch die künstlerische Leitung eines Tanztheaters.

Im Jahr 2014, als er gerade „einen sehr guten Job“ an einem Theater in Damaskus bekommen hatte, kam die Einberufung, er sollte für die syrische Armee in den Krieg. Ihm blieb nur die Flucht nach Beirut.

Es folgten Tätigkeiten als Fotograf, Kameramann und Regisseur, teils fest angestellt, teils freiberuflich, für Flüchtlingsorganisationen im Libanon und in der Türkei. Dabei entstanden auch die Fotografien, die jetzt in der Geißstraße 4 zu sehen sind. Der Weg nach Europa, wo er an einer Filmhochschule studieren wollte, blieb ihm aber verwehrt. Die Fluchtrouten über den Balkan blieben seine letzte Chance.

Über die Balkanroute nach Stuttgart

Im sechsten Versuch gelang ihm die Fahrt in einem Flüchtlingsboot über das Mittelmeer nach Griechenland. Nach weiteren Stationen auf dem Balkan und in Deutschland wurde er 2016 schließlich nach Stuttgart gebracht, seit vergangenem Jahr wohnt er in Sillenbuch. „Ich will mir hier eine Zukunft schaffen“, sagt Zakarya Alsaadi und arbeitet unermüdlich daran. Er hat ein zweimonatiges Praktikum in der Fernsehproduktion des SWR absolviert, ein Film- und Foto-Projekt für Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund konzipiert, wofür gerade ein Antrag bei der Stadt geprüft wird und steht auf der Warteliste für einen Studienplatz an der Filmakademie.

Er hat einen Minijob in der Kommunikationsabteilung von Breuninger und plant einen neuen Dokumentarfilm im Libanon. Die Ausstellung seiner Fotografien am Hans-im-Glück-Brunnen ist für ihn ein wichtiger Schritt in die Zukunft. Unterstützt wird er dabei von der bekannten Stuttgarter Sängerin Mary Summer, aus deren Hilfsprojekten für Kinder ebenfalls Bilder gezeigt werden. Summer und Alsaadi wollen mit der Ausstellung Spenden sammeln, „um in Auffanglagern im Libanon Musikprojekte mit Kindern zu machen und einen Dokumentarfilm darüber zu drehen“, sagt die Künstlerin.