Faszination Ihinger Hof: Der Stadtarchivar widmet der heutigen Versuchsstation der Uni Hohenheim eine eigene Ausstellung.

Renningen - Einst eine kleine Siedlung irgendwo zwischen Renningen und Weil der Stadt, heute eine Versuchsstation der landwirtschaftlichen Hochschule Hohenheim: Der Ihinger Hof übt auf die Menschen der Umgebung eine besondere Faszination aus. Der Stadtarchivar von Renningen, Mathias Graner, bildet da selbstverständlich keine Ausnahme.

 

„Der Ihinger Hof ist so geschichtsträchtig“, allein im Stadtarchiv lagert jede Menge interessantes Material rund um das Areal im Süden von Renningen. „Spuren finden sich aber noch an anderen Stellen immer wieder, das geht sogar in den überregionalen Bereich.“ Schon lange hegte er den Wunsch, der mehr als 1000 Jahre alten Siedlung eine eigene Ausstellung zu widmen. Nach langen Vorbereitungen ist es ihm nun gelungen, in Zusammenarbeit mit der Uni Hohenheim eine Ausstellung mit vielen Informationen, Originalen und mehreren Fachvorträgen zu organisieren. Das Besondere: Der Ausstellungsraum befindet sich nicht irgendwo im Stadtarchiv, sondern direkt am Ort des Geschehens: auf dem Ihinger Hof im dortigen Seminargebäude.

Fast ein Jahr Vorbereitung

Die Eröffnung ist am 20. Januar. Bis zu diesem Punkt war es ein weiter Weg. Nachdem Graner im Frühjahr 2018 grünes Licht für seine Pläne bekam, begannen die intensiven Vorbereitungen. „Die Zusammenarbeit mit dem Ihinger Hof war großartig“, freut er sich. Nicht nur habe er mit seinem Vorhaben beim Betriebsleiter Markus Pflugfelder gleich zu Beginn offene Türen eingerannt. Auch während der Vorbereitungen habe er immer große Unterstützung erfahren. Den überschaubaren finanziellen Aufwand übernahm die Stadt Renningen. Steine wurden ihm von dort nie in den Weg gelegt, sagt Graner. Und auch der Renninger Heimatverein brachte und bringt sich aktiv ein, stellte Materialien und die Glasvitrinen zur Verfügung und hilft als ehrenamtlicher Museumsdienst an den Ausstellungstagen aus.

„Wichtig ist in dem Zusammenhang vor allem Gerhard Renz“, berichtet Graner. Er ist einer der Vorgänger von Markus Pflugfelder. Der Agrarwissenschaftler war 40 Jahre lang Betriebsleiter am Ihinger Hof und hat „die historische Bedeutung dieses Ortes erkannt“. Bei seinen Recherchen war Gerhard Renz eine der ersten Anlaufstellen für Mathias Graner. „Er hat vieles an Inhalten zusammengetragen, hat die Geschichte des Ihinger Hofes erforscht und Vorträge gehalten.“ Nicht verwunderlich also, dass Renz sich auch unter den Referenten der geplanten Vortragsreihe befindet.

Während der Vorbereitungen wurde nämlich schnell klar, „dass man die vielen Inhalte in einer solchen Ausstellung gar nicht alle unterbekommen kann“. So kam Graner die Idee, das Angebot um mehrere Fachvorträge zu ergänzen, die sich einem bestimmten Aspekt der Geschichte des Ihinger Hofes genauer widmen.

Fotos, Infostelen und viele Originale

Das Ergebnis der langen Vorbereitungen zu der Ausstellung kann sich sehen lassen. Fotos aus vergangenen Zeiten säumen die Wände des Seminarraums oder werden auf eine große Leinwand projiziert, auf mehreren Tafeln sind prägende Eckdaten übersichtlich zusammengetragen. Sie gehen zurück bis ins zwölfte Jahrhundert, als der Ihinger Hof das erste Mal schriftlich erwähnt wurde.

Zwischen den Tafeln finden sich allerlei Originale: Hier ein Stein, in den die Jahreszahl 1580 und ein „W“ für Weil der Stadt eingemeißelt ist. Lange Zeit nämlich gehörte der Ihinger Hof zu Weil der Stadt. Dort ein Kirchenbuch von 1755 mit Sterbe-Einträgen, das einen besonderen Blick auf die Menschen gewährt, die einst in Ihingen gelebt haben. Ein besonders außergewöhnliches Stück ist das Gemälde von Moritz Siegfried von Leininger, der einst am Ihinger Hof lebte. Datiert ist es auf das Jahr 1739. „Damit ist es das älteste Gemälde von Renningen“, erklärt Graner. Aus Privatbesitz wurde es vor einigen Jahren der Stadt Renningen geschenkt und war seither im Stadtarchiv untergebracht. „Ausgestellt war es aber noch nie.“

Wahrlich kein Projekt für jedes Jahr: „Ich arbeite alleine im Stadtarchiv, da bringt einen so was schon an seine Grenzen“, erzählt Graner. Viele andere Aufgaben hätten in dieser Zeit hinten anstehen müssen. Doch die Mühe hat sich gelohnt. „Und es war mir auch wichtig. Der Ihinger Hof ist allen ein Begriff, er hat eine Strahlkraft in alle Richtungen. Schon im Vorfeld hatte ich haufenweise Anfragen wegen der Ausstellung“, berichtet er. „Das Thema interessiert die Leute.“

Der Ihinger Hof in Zahlen

1170
wird der Ihinger Hof erstmalig erwähnt. Es handelt sich um eine Siedlung, genannt Ihingen, deren Ursprünge vermutlich bis ins 10. Jahrhundert zurückreichen. Der Wechsel von der Bezeichnung Ihingen zu Ihinger Hof kommt erst viele hundert Jahre später.

Ab 1379
liegt Ihingen im Besitz Württembergs und wird als Lehen an die freie Reichsstadt Weil der Stadt gegeben. Etwa um 1500 kauft Weil der Stadt den Ihinger Hof.

1702
heiratet Amalia Hedwig von Donop Georg Siegfried von Leiningen zu Sorgendorf, einen Nachfahren von Glaubensflüchtlingen aus Villach/Kärnten. Sie hat ein Drittel des Ihinger Hofs von ihren Eltern geerbt, die übrigen zwei Drittel erwirbt ihr Mann von ihren Schwestern. Amalia Hedwig wird später zu einer radikalen Pietistin. Unter ihrem Sohn, Moritz Siegfried von Leininger, verwandelt sich Ihingen in einen Zufluchtsort für Pietisten: Glaubensflüchtlinge.

1809
kauft der Vormund von Gustav Leonhard von Vischer den Ihinger Hof, dieser übernimmt später die Verwaltung. Der Dichter Ludwig Uhland heiratet im Jahr 1820 die Stiefschwester von Gustav Leonhard von Vischer, Emilie Vischer, und ist regelmäßig in Ihingen zu Gast.

1937
wird der Ihinger Hof in den sogenannten Reichsnährstand verkauft und erst viele Jahre nach Kriegsende, 1964, an das Land Baden-Württemberg. Die Landwirtschaftliche Hochschule Hohenheim übernimmt den Hof als Versuchsstation.

Ausstellung und Vorträge

Öffnungszeiten
Die Ausstellung „Der Ihinger Hof im Wandel der Zeit“ befindet sich im Seminargebäude des Ihinger Hofs (dem grauen Gebäude gegenüber der Verwaltung). Die Eröffnung ist am Sonntag, 20. Januar, um 17 Uhr mit einer Führung durch die Ausstellung. Danach ist bis einschließlich Sonntag, 31. März, immer samstags und sonntags von 13 bis 17 Uhr geöffnet. Auch unter der Woche ist eine Besichtigung möglich – nach Anmeldung im Hauptgebäude (Telefon 0 71 59 / 9 26 40). Der Eintritt ist frei. Führungen werden auf Anfrage unter 0 71 59 / 92 47 87 (Stadtarchiv) angeboten.

Programm
Die Ausstellung wird begleitet von mehreren Vorträgen. Den Anfang macht am Sonntag, 10. Februar, um 14 Uhr ein Beitrag von Gerhard Renz zur „Geschichte des Ihinger Hofs: Frauen und Männer, die sie prägten“. Am  24.  Februar spricht Markus Plugfelder über den Ihinger Hof als „Hof für moderne Agrarforschung“. Weitere Termine sind am 10., 17., 24. und 31. März. Das vollständige Programm findet sich online unter www.renningen.de/stadtarchiv.