Das Leonberger Hospiz zeigt vom 4. bis 30. Juni eine Fotoausstellung der Esslinger Künstler Johannes Wosilat und Anna-Lisa Lange. Die beiden waren mehrer Jahre in verschiedenen Hospizen unterwegs und haben Grenzen überschritten.

Bei der Frage nach ihrem persönlichen Lieblingsbild sind sich Dieter Burr und Günther Wöhler, die beiden Vorstandsvorsitzenden des Leonberger Hospizes, auf Anhieb einig. Es ist ein Foto, auf dem eine alte Dame befreit und dankbar in die Kamera lächelt. Rechts und links wird sie von ihren beiden erwachsenen Kindern umarmt und geherzt.

 

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Die Geschichte dahinter ist eher traurig. Ihr Leben lang war die Seniorin für ihre Familie da. Und als sie die Diagnose bekam, dass sie unheilbar krank sei, ignorierte ihr Mann dies. Er wollte weiterhin von seiner Frau bedient werden, sie sollte weiterhin alle Arbeit im Hause erledigen. Schwach sein war keine Option.

Ihre Kinder ziehen die Notbremse

Die Kinder zogen die Notbremse und brachten ihre Mutter ins Hospiz, wo sie Fürsorge bekam und erstmals in ihrem Leben ihre eigenen Bedürfnisse befriedigt wurden. Am Auslöser der Kamera standen die beiden Esslinger Fotografen Johannes Wosilat und Anna-Lisa Lange. Sie haben über einen sehr langen Zeitraum Menschen in deren letzter Lebenszeit begleitet und erzählen nun die Geschichten, indem sie sie auf große Leinwände bannen. Mit dieser Arbeit, aus der auch ein Bildband entstanden ist, haben sie ihr Studium abgeschlossen.

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Die Ausstellung „Leben lassen“ gibt es bereits seit dem Jahr 2014. Jetzt haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hospizes Leonberg sie auf den Engelberg geholt, wo sie vom 4. bis 30. Juni zu sehen ist. Den Betrachter erwarten Geschichten voller Lebensfreude und Lebensqualität, die dank der Hospizarbeit gelebt werden können. Anna-Lisa Lange will mit den Bildern „der Ausgrenzung, die Sterbende in unserer Gesellschaft oft erfahren, etwas entgegensetzen“.

Das Thema Sterben kommt in der Leistungsgesellschaft nicht vor

Leonbergs Hospiz-Vorstandsvorsitzender Dieter Burr hat Ausgrenzung oder ein Wegsehen schon in seinem Umfeld erlebt. Er kennt einen Fall, wo eine Geschäftsführerin an Krebs erkrankte und ab diesem Zeitpunkt sich kein Kollege mehr bei ihr gemeldet hatte. „Das Thema Sterben kommt in unserer Leistungsgesellschaft nicht vor“, sagt er. Die Fotografien von Wosilat und Lange sollen das Natürliche am Sterben sichtbar machen und gleichzeitig glückliche Momente festhalten, um mit diesen Erinnerungen die Trauerarbeit für Angehörige zu erleichtern. Etwa zwei Jahre sind die beiden in Hospizen unterwegs gewesen, dann hätten sie erstmals gewagt, die Menschen mit ihrer Erlaubnis zu fotografieren.

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„Die beiden sind interessiert an Menschen in bestimmten Krisensituationen“, sagt Claudia Berner, in Leonberg Hospizreferentin und zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit. Der Mediziner Günther Wöhler hat größten Respekt vor der Arbeit der Fotografen. „Sich Menschen so zu nähern, vor allem in ihrer letzten Lebensphase, ist eine Grenzüberschreitung, denn im Sterben ist der Mensch verletzlich, und die Menschen haben die beiden in ihr Innerstes blicken lassen.“

Angst vor dem Sterben nehmen

Eines der Ziele, das die Künstler mit der Ausstellung verfolgen, ist zu zeigen, wie wertvoll diese Zeit des letzten Weges sein kann. Welche Erfahrungen die beiden Künstler bei ihrer intensiven Beschäftigung mit dem Sterben gemacht haben, erzählen Wosilat und Lange direkt vor Ort. Sie sind zur Eröffnungsfeier von „Leben lassen“ am 4. Juni in Leonberg und werden die erste Führung durch die Ausstellung übernehmen.

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Am Eröffnungstag gibt es von 14 Uhr bis 19 Uhr ein musikalisches und kulinarisches Rahmenprogramm. Am Sonntag wird der Bläserkreis des CVJM Gerlingen um 10 Uhr vom Engelbergturm aus spielen. Das Gelände ist frei zugänglich, nur Gruppen werden um Anmeldung gebeten (E-Mail an claudia.berner@hospiz-leonberg.de). Der Hospizverein bietet zudem regelmäßig ein Angebot zum Austausch: Immer mittwochs von 15 bis 17 Uhr werden Ansprechpartner vor Ort sein und Fragen beantworten.