Conrad Felixmüller wurde vom Schöpfer subjektiv verfremdeter Werke zum Vertreter der Neuen Sachlichkeit. In einer Ausstellung in der Städtischen Galerie ist seine Entwicklung eindrücklich dargestellt.

Bietigheim-Bissingen - Er war ein frühreifer Künstler. Blutjung stieg er im Alter von 15 Jahren direkt in den Expressionismus und den Kubismus ein – und fand dann erst nach und nach zu Stilen, die viele Künstler eher zu Beginn ihrer Karriere nutzen: gegenständliche, realistische, nüchterne oder kitschige Darstellungen. Ausdrucks-stark, kraftvoll, in leuchtenden Farben: So sind die frühen Werke von Conrad Felixmüller – gedeckter, ruhiger, vergleichsweise brav seine späteren Bilder. Die enorme Entwicklung des Künstlers ist nun in der Städtischen Galerie eindrücklich zu sehen.

 

Mit Ausnahmegenehmigung an die Akademie

„Er war außergewöhnlich begabt“, sagt Isabell Schenk-Weininger, Leiterin der Städtischen Galerie Bietigheim-Bissingen. Schon im Alter von 15 Jahren habe Felixmüller mit einer Ausnahmegenehmigung die Kunstakademie besucht, die eigentlich erst Schüler ab 16 Jahren aufnahm. Seine Porträts galten schon an der Akademie als legendär – und sollten den gebürtigen Dresdner durch sein gesamtes künstlerisches Leben begleiten.

Vor allem in den Anfangsjahren der Weimarer Republik stellte Conrad Felixmüller sein Werk dezidiert in einen politischen Kontext, arbeitete an den politischen Zeitschriften „Die Aktion“ und „Menschen“ mit und stellte in seinen Werken die Härte der industriellen Arbeitswelt – insbesondere des Bergbaus – dar. Genau diese Zeit der Aktion und des Umbruchs im Leben des Künstlers fasziniert Isabell Schenk-Weininger am meisten. Daher liegt der Fokus der Ausstellung auf der früheren Schaffensphase des Malers. Aus den kubistisch-konstruktivistischen sowie den expressionistischen Arbeiten dieser Zeit spricht die Kraft der Jugend und der Wille, etwas mit der Kunst zu bewegen. Insbesondere die Darstellung der Arbeiterwelt hatte es Felixmüller – selbst ein Arbeiterkind – angetan. Geradezu bedrohlich und fast karikaturenhaft wirkt sein Bild „Kohlenbergarbeiter auf dem Zechenhof“ von 1921, auch seine Radierungen von Minenarbeitern im Ruhrgebiet sind ausdrucksstark, ebenso die Porträts politischer Agitatoren wie Otto Rühle. „Einpeitscher der Massen“ nannte Felixmüller den Mitbegründer der KPD, den er mit fanatischem Blick darstellt. Dabei war der Künstler selbst von 1919 bis 1924 KPD-Mitglied – die Distanz zu den Objekten seiner Werke bewahrte er sich aber sichtlich.

Politik, Arbeitermilieu und Privatleben

Die politischen Arbeiten und die Darstellungen der Arbeiterwelt – unter anderem beeindruckende Portäts von Arbeitslosen oder romantisch-trostlose Bilder von Liebespaaren im Schatten der Hochöfen – sind im obersten Geschoss der Galerie zu sehen. Die Zwischenetage ist den Porträts seiner Weggefährten gewidmet: Der Maler Otto Dix ist hier ebenso zu sehen wie der expressionistische Schriftsteller Walter Rheiner oder der Publizist Franz Pfemfert.

Im Erdgeschoss steht das Privatleben Conrad Felixmüllers im Mittelpunkt: Hier sind zahlreiche Selbstporträts zu sehen, Bilder von seiner Frau und seinen zwei Söhnen oder aber Liebespaare. Oftmals sind frühe Werke späteren gegenübergestellt, um die enorme Entwicklung des Künstlers herauszustellen. Besonders eindrücklich ist diese bei einer Selbstporträtreihe aus Holzschnitten zu sehen: Das von 1916 ist in kubistischer Manier grobstrichig verfremdet, das von 1924 hat expressionistisch-ausladende Züge, die Version von 1927 zeigt die nüchterne Stimmung der Neuen Sachlichkeit und das Werk von 1930 mutet mit seinen feinen, verspielten Zügen fast schon impressionistisch an.