Die Schau „Making Africa” im Vitra Design Museum in Weil am Rhein präsentiert zeitgenössisches Design vom schwarzen Kontinent.

Stuttgart - Die Gewichte in der Welt verschieben sich. China entwickelt sich wirtschaftlich und politisch zu einer Großmacht, Länder wie Indien und Brasilien folgen in respektvollem Abstand. Ökonomisch setzt gar ein ganzer Kontinent – Afrika – zum Sprung an. Nicht selten bedingt der Aufschwung neues Selbstbewusstsein, das sich auf vielen Feldern artikuliert, zum Beispiel dem des Designs. So drängt in Afrika heute eine neue, weltoffene und bestens informierte Generation von Unternehmern und Designern auf den globalen Markt.

 

Die aufregenden Entwicklungen im afrikanischen Design nimmt das Vitra Design Museum in Weil am Rhein zum Anlass für eine umfangreiche Ausstellung. „Making Africa – A Continent of Contemporary Design“ richtet den Blick anhand von Arbeiten von mehr als 120 Designern und Künstlern auf die Veränderungen. Der schwarze Kontinent erscheint als Experimentierfeld für vielfältige neue Ideen und Entwicklungen, von Architektur und Möbeldesign über Mode bis hin etwa zu Emoticons, die die Agentur Oju Africa in Mauritius speziell für die Bevölkerung in Afrika entwickelt hat. Die schiere geografische Größe des Kontinents veranschaulicht eine Grafik. Locker passen China, die USA, Indien, Japan sowie beträchtliche Teile Europas in den riesigen Bauch.

Der Ausstellung liegen umfangreiche Recherchen zugrunde. Zwei Jahre lang bereiste die Kuratorin Amelie Klein den Kontinent, besuchte Metropolen und Regionen, veranstaltete Think Tanks und führte Interviews mit mehr als siebzig Designern, Künstlern, Wissenschaftlern und sonstigen Experten. Als beratender Kurator fungierte für die Schau Okwui Enwezor, der Leiter des Münchner Hauses der Kunst. Nächste Station der Schau ist das Guggenheim Museum in Bilbao.

Schrille Schöpfungen

Gleich im ersten Saal laufen die Interviews auf drei großen Screens. Bewusst möchte die Ausstellung so über den fremden Blick von außen hinaus die Sichtweisen und Perspektiven der Menschen und Akteure auf dem Kontinent einbeziehen. Die am Beginn des Parcours positionierten fremdartigen bis schrillen Brillengestelle, mit denen der kenianische Künstler Cyrus Kabiru international bekannt wurde, wirken wie ein Sinnbild dieses Perspektivwechsels. Kunst und Mode, Performance und Design durchdringen sich in den schrillen Schöpfungen aus Abfallmaterialien.

Einen Überblick über die gegenwärtige Architektur in Afrika liefert David Adjaye mit seiner Dia-Show „Urban Africa Project“. Innerhalb von zehn Jahren hatte Adjaye 53 Städte in Afrika besucht und urbanen Glanz und Verfall festgehalten. Als fantasievoller und farbenfroher Gegenentwurf zu westlich inspirierten, gesichtlosen Repräsentationsbauten erscheint Bodys Isek Kingelez’ futuristisches Modell „Étoile Rouge Congolaise“.

Bauwerke ganz anderer Art, nämlich Skulpturen aus handgeflochtenem Kunsthaar, sind die Perücken-Architekturen von Meschac Gaba. Als Mischformen aus traditioneller Flechtkunst und moderner Architektur beschreiben sie symbolisch das Potenzial einer globalen „Gemeinschaftskultur“. Nach westlichen Maßstäben nicht minder ausgefallen wirken die Frisuren, die J. D. Okhai Ojeikere für seine Serie „Hairstyles“ über einen Zeitraum von Jahrzehnten fotografierte.

Anspielungen auf die Befreiung des Kongos

Die Lampe „Gourde Protectrice“ des burkinischen Künstlers und Designers verschmilzt formal in fantasievoller Weise zwei traditionelle afrikanische Utensilien: Kalebasse und Henkeltopf. Höchst gelungen mutet auch der BucketFeet Tokeria, ein Schuh aus Segeltuch, von Karo Apkopiere an: Als ersten afrikanischen Designer beauftragte die amerikanische Marke den Künstler eine Fußbekleidung zu entwerfen. Das Design des Segeltuchs verschmilzt afrikanische Muster mit der Ästhetik japanischer Holzschnitte.

Durchaus politisch in der Anspielung auf die Befreiung des Kongos von belgischer Kolonialherrschaft ist Yinka Shonibares Damenschuh „Cha Cha Cha“; nicht minder Gonçalo Mabundos Thron aus rostigen Waffen und Waffenteilen, die im sechzehn Jahre währenden Bürgerkrieg in Mosambik zum Einsatz kamen. Dagegen wirkt der Stuhl „Let there be light“ mit lädierter Rückenlehne und aufgepfropfter Kerze des passionierten Upcyclers Yinka Iloris – man beachte die Anspielung auf die Genesis-Stelle – nachgerade verspielt.