Fotos von Carl Näher erinnern an den Sitz des ersten Landtags in Bebenhausen – damals herrschten noch deutlich andere Verhältnisse.

Dettenhausen - Wer kennt Lorenz Bock heute noch? Der Medienwissenschaftler Ulrich Hägele beantwortet seine Frage gleich selbst: „So gut wie keiner.“ Dabei war Lorenz Bock erster Staatspräsident des Landes Württemberg-Hohenzollern, das vom 8. Juli 1947 bis zum 25. April 1952 bestand. Dann wurden die Länder Württemberg-Baden, Baden und Württemberg nach einer Volksabstimmung zum Bundesland Baden-Württemberg. Sitz des Landtages von Württemberg-Hohenzollern war Bebenhausen.

 

Die Bilder des Reutlinger Fotografen Carl Näher aus dieser Zeit bilden den Kern einer Sonderausstellung im Schönbuch-Museum Dettenhausen. Kurator Hägele hat dem CDU-Politiker Lorenz Bock einigen Raum eingeräumt. Nicht nur in Form von Fotos, sondern sogar mit einem Kassenbeleg, den Hägele als das „berührendste Exponat“ der Ausstellung bezeichnet. Es handelt sich um die Rechnung der Reutlinger Stadtgärtnerei über einen Kranz über 25 DM an die SPD-Fraktion zur Trauerfeuer von Lorenz Bock am 7. August 1948. In dem blassbraunen Reichsmarkvordruck ist das RM mit einem Schreibmaschinen-„D“ aktualisiert worden. Die Mark war kurz zuvor eingeführt worden. „Der Staatspräsident von damals war vergleichbar mit dem Ministerpräsidenten heute“, sagt Hägele und erzählt von einem Mann, der 1883 bei Horb geboren und dort seit 1910 Anwalt und vor 1933 Mitglied für die Zentrumspartei im württembergischen Landtag war. 1944 wurde er von der Gestapo wegen eines Kontaktes zur Gruppe um den Hitler-Attentäter Graf Stauffenberg verhaftet. Staatspräsident war Lorenz Bock nur ein gutes Jahr lang, am 4. August 1948 starb er in Rottweil an einer Darmerkrankung. „Ich habe bisher nicht herausfinden können, wo dieser Mann beerdigt ist“, sagt Hägele. Nachfolger als Regierungschef wurde Gebhard Müller (CDU).

„Ohne fließend Wasser und ohne Telefon“

Die Fotos von Carl Näher geben Einblick in diesen Landtag, dem 32 Abgeordnete der CDU, zwölf der SPD, elf der DVP und fünf der KPD angehörten. Sie sind in manchen Sitzungen zu sehen, aber eben auch die dienstbaren Geister wie beispielsweise der Chefober, ein Herr Krebs. Der zeigt sich vor einem bescheidenen Büfett. Dargeboten wurden die Speisen bestimmt in Tellern aus der Landtagskantine. Entsprechende Exponate von SMF-Majolika Schramberg hat das Haus der Geschichte in Stuttgart für die Schau in Dettenhausen zur Verfügung gestellt.

Bebenhausen war ausgewählt worden, weil dem Tübinger SPD-Politiker Carlo Schmid das Kloster – nach dem Tod der letzten württembergischen Königin Charlotte am 16. Juli 1946 – geeignet schien. Schmid bereitete im Auftrag der französischen Militärregierung 1945 eine Landesverfassung vor und war Chef der Provisorischen Regierung bis zur ersten Landtagswahl. Danach wurde er Bocks Stellvertreter und Justizminister. Er ist auf den Fotos häufig zu sehen, ebenso Oskar Kalbfell, Reutlinger OB, Landtags- und Bundestagsabgeordneter. Genau 118-mal haben die rund 70 Abgeordneten in Bebenhausen getagt und 235 Gesetze verabschiedet. Dabei waren die Bedingungen beschwerlich. Das begann bei der An- und Abreise, denn Autos gab es außer dem Mercedes von Königin Charlotte so gut wie keine. Ein regelmäßiger Zugverkehr wurde erst allmählich wieder möglich. So richteten die Volksvertreter ihr   Nachtlager in den Mönchszellen ein. „Ohne fließend Wasser und erst recht ohne Telefon“, sagt Hägele mit Blick auf diese etwas andere Zeit.