Im Hinterzimmer eines Blumenladens präsentiert der Fotograf Kerem Saltuk Bilder von Reisen. Der Ausstellungsort entfaltet den gemütlichen Charme einer Teestube.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

S-West - Mit dem klassischen white cube hat die Galerie der Blumeninsel so gar nichts gemeinsam. Das Hinterzimmer des gleichnamigen Floristikgeschäfts von Dilaver Gök erinnert eher an eine orientalische Teestube. An den Wändern präsentiert der Fotograf und Dokumentarfilmer Kerem Saltuk sein Leben – zumindest einige Teile davon. Er hat für die Besucher gewissermaßen ein paar Seiten seiner Biografie aufgeschlagen. Die Arbeiten des türkischen Fotografen sind Rückblenden in die Zeit, da er ein junger Mann war und in der Welt herum kam.

 

Karge Existenzen

Die frühesten Fotografien führen den Besucher ins Jahr 1990. Saltuk, damals 21 Jahre alt, begleitete eine Gruppe deutscher Touristen nach Kars im Nordosten der Türkei. Den jungen Mann, der aus einem wohlhabenden Elternhaus in Izmir stammt, berührte das karge Leben in der ärmlichen Provinz: „Die Lebensbedingungen in Kars sind sehr schwer und die Auswanderungsrate ist deshalb sehr hoch. Die Winter sind gnadenlos hart und kalt.“ Seine Schwarz-Weiß-Fotos zeigen ledrige Gesichter, Bauern bei der Ernte, beim Oil-Wrestling, beim Feiern, im Wettfieber beim Hahnenkampf und beim Eisfischen.

Auch bei den Fotos, die Saltuk zehn Jahre später in Kanada aufnahm, liegt das Augenmerk auf den Menschen. Der Betrachter begegnet in diesen Bildern einem gereifteren Fotografen. Hinter ihm liegen nun ein längerer Studienaufenthalt in Paris, ein Universitätsabschluss in Tourismusmanagement und etliche Jahre als Pressefotograf in Izmir. Er war nach Kanada aufgebrochen, um in Montreal Filmproduktion zu studieren. „Um in dieser Zeit meinen Lebensunterhalt bestreiten zu können, habe ich in vielen Bereichen unter anderem als Parkhauswächter, Sandwich-Verkäufer, Kellner oder Packer in einer Speditionsfirma gearbeitet. Meine Arbeit als Fotograf habe ich allerdings niemals aufgegeben und so gut ich konnte fortgeführt.“ In dieser Zeit entstand auch sein Buch über Kanada-Einwanderer.

Blick in fremde Leben

Die Bilder zeigen, was dem Fotografen offenbar neu und fremd erschien – groteske Reklameinstallationen, gespenstische Straßensituationen, Indianer in vollem Ornat oder eine spektakuläre Performance mit lauter Nackten auf dem Place des Arts in Montreal. „Die Stadt erschien mir so multikulturell: Montreal ist ein bisschen wie Europa und ein bisschen wie die USA“, sagt der Fotograf.

Saltuk hat sich entschieden, den Ausstellungsbesuchern ausschließlich ältere Arbeiten zu präsentieren, obgleich er weiterhin als Fotograf und Dokumentarfilmer tätig ist – seit 2012 im Westen. Er erinnert sich, dass er damals als Neustuttgarter „direkt in die S-21-Proteste hineingestolpert bin“, sagt Saltuk – für einen Fotografen eine dankbare Situation. Aber all das, so Saltuk, kennen die Leute in Stuttgart ja. Er wolle ihnen Einblicke in das Leben anderer Menschen geben, deshalb zeige er seine alten Aufnahmen aus der Türkei und aus Kanada, nicht die neueren aus Stuttgart. In Dilaver Göks behaglichem Hinterzimmer kann man sich diese fremden Welten gemütlich im Sitzen zu Gemüte führen.