Die Komponistin und Künstlerin Eva Schorr stellt mit ihrem Enkel Sebastian im Bürger-haus Möhringen aus. Bei der Konzert-Vernissage war der Andrang groß, die Stühle reichten nicht aus.

Möhringen - Solche Doppelbegabungen sind ganz selten. Und wenn sie sich dann noch über die Generationen fortpflanzen wie bei den Schorrs, dann ist das etwas wirklich Großartiges. Eva Schorr könnte locker für eine Siebzigjährige durchgehen, ist aber weit älter. Sie ist eine der wohl bedeutendsten deutschen Komponistinnen der Gegenwart, dazu aber auch noch eine herausragende Bildende Künstlerin. Ihr Enkel Sebastian eifert ihr nach – als Hornist, der das Opern-Fragment und die CD seines Quartetts German Hornsound anspruchsvoll grafisch gestaltet. Für die Konzert-Vernissage der Familie im Möhringer Bürgerhaus reichten am Sonntag die Stühle nicht aus.

 

Die ganze Familie war dabei

Die Zwischengeneration war natürlich auch dabei: Matthias Schorr ist zwar promovierter Geologe, steht aber im niedersächsischen Burgdorf dem Kulturverein Scena vor und hielt die kundigen Vernissagen-Reden. Sein Bruder Simon Schorr ist leidenschaftlicher Cellist und lehrt Musik am Königin-Charlotte-Gymnasium; er leitet den Motettenchor Stuttgart und die Orchestervereinigung Möhringen. Ihm oblag die Organisation.

Der 31-jährige Enkel Sebastian Schorr ist Solohornist bei der Württembergischen Philharmonie in Reutlingen mit zeitweiligen Engagements in zahlreichen anderen Orchestern und bildet dazu mit Christoph Eß, Timo Steininger und Stephan Schottstädt den German Hornsound. Zum gemeinsamen 200. Geburtsjahr von Verdi und Wagner hat dieses Quartett gemeinsam mit den Literaten Herbert Rosendorfer und Karl Dietrich Gräwe ein Opern-Fragment ausgedacht und eingespielt. Diesem Quartett ihres Enkels hat Eva Schorr auch ihr Opus 104 , die Suite „La Caccia für 4 Hörner“ gewidmet, die als inoffizielle Uraufführung die erste Hälfte des Konzertprogramms bildete. Offiziell erklingt das Werk erstmals im August beim Hohenloher Kultursommer in Eva Schorrs Geburtsstadt Crailsheim. Die Besetzung ist wegen der Zueignung genauso originell wie andererseits konventionell, aber die Musik der 85-jährigen Komponistin, die den Tonsatz bei Johann Nepomuk David und Olivier Messiaen lernte, ist vollkommen auf der Höhe der Zeit. Nach wie vor nimmt sie alljährlich am Avantgarde-Treffen für Neue Musik in Donaueschingen teil.

Eminenter Klangsinn

Diese Musik zeigt nicht nur die souveräne Beherrschung der satztechnischen Erfahrungen der Moderne, sondern auch den eminenten Klangsinn von Eva Schorr mitsamt einer subtilen Kenntnis dieses besonderen Instruments und aller seiner Genres. Natürlich ist es nicht nur die Jagd, die dort das ungemein plastische Klangbild prägt, sondern auch die Fanfare von historischen Wächtern und Soldaten oder die allgegenwärtige Quart des Martinshorns, der Choral der Posaunenchöre oder die feierliche Horn-Hymnik in Opern und Sinfonien.

Viel verwandtes Klangmaterial findet sich auch in den Opern der Zeitgenossen und Antipoden Wagner und Verdi, deren frei erfundene venezianische Begegnung Hintergrund für die halbernste Collage aus Texten und Arrangements des Horn-Quartetts ist. Zu diesem Verdi-Wagner-Projekt und zu Modest Mussorgskys „Bildern einer Ausstellung“ hat der Hornist Sebastian Schorr auch symbolisch-fantastische-realistische Druck-Illustrationen geschaffen, die sein Onkel Matthias Schorr ganz zurecht vom Stil des genialen Zeichners Horst Janssen inspiriert fand. Sie sind im Erdgeschoss des Bürgerhauses zu sehen.

Frische Kunst, genaues Gespür

Die Bilder von Eva Schorr oben im zweiten Geschoss sind in einem Aspekt damit verwandt: in einer klaren und frischen Farbgebung. Ansonsten aber hat sie – wie in der Musik – einen von allen Moden ganz unabhängigen Personalstil entwickelt. Eine Grundierung mit farbig fließender Tusche ergänzt sie mit filigranen Federzeichnungen, die in einer spannenden Balance zwischen Realismus und Abstraktion oft auch surrealer Fantastik tanzen, vom feuerrot-rosafarbenen „Waldweg“ über das vieldeutige „Rote Kreuz“ bis zum „Alten Zaun“. Manch frech-pfiffiger Titel wie „Schöner Wohnen“ tut ein Übriges zur Frische dieser Kunst, die ansonsten aber durch ein genaues Gespür für Proportionen, Balancen und eine Harmonie parallel zur Natur besticht – genau wie die Musik.