Weinflaschen in allen Formen und Farben zeigt die neue Sonderausstellung „Wein trifft Glas“ im Glasmuseum in Spiegelberg. Einige der über 360 historischen Exponate haben eine lange Geschichte.

Leserredaktion : Kathrin Zinser (zin)

Spiegelberg - Gräuliche Patina hat sich auf dem Glas festgesetzt, rau wirkt die Oberfläche der Kugelflasche. Kein Wunder – das Exponat stammt aus dem 16. Jahrhundert und lag lange unter der Erde. „Diese Flasche ist federleicht“, sagt Marianne Hasenmayer und wiegt das Gefäß vorsichtig in der Hand. „Je dünner das Glas, desto älter die Flasche. Denn Glas war früher ein sehr kostbarer Werkstoff“, erklärt die Leiterin des Glasmuseums Spiegelberg.

 

Neben der jahrhundertealten Kugelflasche sind über 360 historische Weinflaschen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz in der neuen Sonderausstellung „Wein trifft Glas“ im Spiegelberger Rathaus zu sehen. Winzige Puppenflaschen aus Puppenstuben zählen ebenso zur Sammlung wie Probierflaschen mit einem Fassungsvermögen von gerade mal 0,0625 bis 0,125 Litern, die die Winzer an potenzielle Kunden verschenkten, oder bauchige Weinrückgabeflaschen, die bei Weinproben zum Einsatz kamen. „Wir möchten in dieser Ausstellung die Formenvielfalt der Weinflasche deutlich machen“, sagt Hasenmayer und deutet auf das große Regal, das eigens für die Ausstellung angefertigt wurde und mit schlichtem Holz, Glas und LED-Beleuchtung die Flaschen in den Fokus rückt.

Exponate aus Privatsammlungen

Die Exponate, unter denen sich wertvolle Stücke befinden, stammen größtenteils aus den Privatsammlungen von Dieter Schaich und Christoph Pusl aus München. „Es war vor allem Dieter Schaichs Idee, in der diesjährigen Sonderausstellung Weinflaschen zu zeigen. Er ist ein leidenschaftlicher Glassammler“, sagt Hasenmayer.

Seit das Glasmuseum in Spiegelberg, einem ehemaligen Glasmacherort, 2005 gegründet wurde, wird es von der 59-Jährigen geleitet. Ihre Leidenschaft für Glas begann bereits vor über 25 Jahren: „Mein Hund hat in meinem Geburtstort Neulautern, auf dem Acker meiner Eltern, eine alte Scherbe ausgegraben“, erinnert sie sich. Dabei handelte es sich um das Fragment eines Weinglases aus dem 16. oder 17. Jahrhundert. Die gelernte Kauffrau eignete sich umfangreiches Wissen an, besuchte unzählige Glasmuseen und beteiligte sich an Ausgrabungen. „Mit dem Glasmuseum hier möchten wir erreichen, dass die Geschichte nicht verloren geht“, erklärt sie. Von 1701 bis 1792 wurde in Spiegelberg eine Glashütte betrieben – ab 1705 war sie die einzige von insgesamt 25 im Schwäbisch-Fränkischen Wald, die Spiegel herstellte.

40 Jahre im Umlauf

Besonders beeindruckend in der aktuellen Ausstellung findet Hasenmayer die drei Riesenflaschen, die acht bis zwölf Liter fassen. „Die typische Flaschenform ist die Schlegelflasche“, erklärt sie und nimmt ein deutlich kleineres und verwittert aussehendes Exemplar aus dem Regal: „Die wurde in einem See gefunden, deshalb blühen die Algen darauf. Das sieht schon fast schön aus.“ Wenn statt Algen Teile des Etiketts erhalten sind, verraten diese oft Einiges über die Geschichte und den Inhalt der Flasche. So etwa, dass die Weingroßhandlung W. Benz und Söhne aus Stuttgart einen italienischen „1943er Emilia Rosso“ verkauft hat. Wer genau hinsieht, entdeckt das kleine „In vino veritas“ auf dem Etikett eines Ausstellungsstücks von 1949. „Diese Flasche war 40 Jahre im Umlauf“, sagt Hasenmayer. „Das zeigt, wie wertvoll Glasflaschen waren.“ Denn vor der industriellen Fertigung war die Herstellung einer Glasflasche reine Handarbeit und dementsprechend aufwendig.

„In der heutigen Wegwerfgesellschaft hingegen landen die Flaschen einfach im Müll“, sagt Hasenmayer. Eines hat sich allerdings nicht geändert: Glas ist ein neutraler Werkstoff, er nimmt keinen Geruch an. „Der Geschmack eines Weins ist nur in einer Glasflasche das Wahre“, ist Marianne Hasenmayer überzeugt.