„Es ist mehr als aufpassen, dass keiner versauft“: Ebbe Kögel war zwölf Jahre lang Bademeister. Foto: Lichtgut/Ferdinando Iannone
Für Ebbe Kögel, der bei einer Führung mit dem Kurator Sebastian Dörfler durch die Ausstellung „Frei Schwimmen. Gemeinsam?!“ im Haus der Geschichte aus seiner beruflichen Episode erzählt, sind Freibäder „Integrationsmaschinen“.
Heidemarie A. Hechtel
18.02.2025 - 14:45 Uhr
Bademeister sind die heimlichen Herrscher in ihrem Reich. Geben sich, zwischen all den Halbnackten, nie eine Blöße und achten im Frei- und Hallenbad streng darauf, dass es gesittet zugeht und die Regeln eingehalten werden. Wehe, wenn übermütige junge Kerle von der Seite ins Becken hüpfen. Oder auf der Liegewiese herumkicken. Da können die Respektspersonen sehr ungemütlich werden. Der schnauzbärtige Vertreter dieses Berufsstandes, der einst im Inselbad in Untertürkheim abgelichtet wurde, hätte auch ein Gendarm sein können. Oder ein Feldwebel.
Ebbe Kögel war da ganz anders. Auch er hat zwölf Jahre lang als Bademeister gearbeitet. Auch im Inselbad. Aber vor allem im Bädle seiner Heimatgemeinde Stetten im Remstal, in dem er selbst seine Kinder- und Jugendsommer verlebt hat: „Tag und Nacht“. Wie er seine Aufgabe verstanden hat, sieht man auf den ersten Blick, als er zusammen mit dem Kurator Sebastian Dörfler durch die Ausstellung „Frei Schwimmen. Gemeinsam?!“ im Haus der Geschichte führt: Als „Poolpädagoge“, wie die Inschrift auf seinem T-Shirt verkündet.
Die Ausstellung weckt die Sehnsucht nach dem Paradies des Sommers
Ein Andrang im Museum wie an einem Sommertag an der Freibad-Kasse. Weil allein das Thema der Ausstellung an einem frostkalten Wintertag die Sehnsucht nach dem Paradies des Sommers weckt. Und die Aussicht auf diese spezielle Führung offenbar magnetische Wirkung hatte. Denn Ebbe, offiziell Eberhard, Kögel ist nicht irgendwer. Sondern bekannt als Autor, Heimatforscher, Mitglied bei den „Anstiftern“ und überhaupt als gesellschaftspolitisch und sozial engagierter Mensch. Darum hat er aus seiner Bademeister-Laufbahn mehr zu erzählen als amüsante Anekdoten aus dem Inselbad und speziell aus dem dortigen FKK-Bereich. Er ist sogar Teil der Ausstellung. Als Retter des geliebten Bädles, das 2003 dem Rotstift zum Opfer fallen sollte und jetzt vom Stettener Bädlesverein geführt wird. Und als Förderer eines jungen Syrers.
Das Freibad als Spiegelbild der Gesellschaft. Wer darf mitschwimmen? Und wer nicht? Gemeinsam oder doch lieber getrennt? Nach Geschlechtern, nach Klassen, nach Ethnien? Darum geht es vor allem in der Ausstellung, in die man buchstäblich eintaucht, weil die Decke durch Lichtinstallation wie flirrende, irisierende Wasseroberfläche erscheint. Submarines Feeling zum Kopfsprung in die Geschichte des Freibadens in Deutschland. „Ich bin erblich vorbelastet“, erklärt Kögel, „Jahrgang 1953“, seine Entscheidung für den Bademeister-Job. Schon sein Großvater habe in der Donau das Schwimmen gelernt, als er in Ulm beim Militär war. Genau wie die Buben und jungen Männer, die, wie ein Bild in der Ausstellung zeigt, noch viel früher unbekümmert nackt in die Donau gesprungen sind. Bis im Jahr 1800 die vorübergehend bayerische Obrigkeit diese „Verletzung aller Schamhaftigkeit“ verbot.
Aufnahmen von früher in der Freibad-Ausstellung im Haus der Geschichte Foto: Lichtgut/Ferdinando Iannone
Die Freundin, die Ebbe Kögel mit dem Poolpädagoge-T-Shirt ausgestattet hat, muss ihn sehr gut gekannt haben. Bademeister sein sei für ihn mehr als „aufpassen, dass keiner versauft“, stellt er klar. Es sei ihm zum Glück auch nie jemand versoffen. Vielmehr verdankt ihm ein junger Mann namens Mohammed Alakech das Freischwimmen. Sportlich und gesellschaftlich. 2016 sei der damals Achtjährige zum ersten Mal im Bädle aufgetaucht, habe noch gar nicht schwimmen können, aber alles versucht, es zu lernen. Zuerst habe er sich seiner angenommen, erzählt Kögel, „dann haben ihn die anderen Badegäste auch adoptiert“. Heute ist Mohammed 16 Jahre alt, bereitet sich gerade auf den Realschulabschluss vor und will Abitur machen. „Für mich, sagt Kögel, „ist das Freibad eine Integrationsmaschine, in der sich unterschiedlichste Menschen mit verschiedenen Lebensstilen und Moralvorstellungen begegnen, mal mehr und mal weniger harmonisch.“
Ausstellung zeigt das Ausmaß der freiwilligen oder auferlegten Exklusionen
Nicht nur der Ausschluss von Juden in der NS-Zeit aus Freibädern, Hallenbädern und sogar Stränden belegt in der Ausstellung das Ausmaß der freiwilligen oder auferlegten Exklusionen. Die Armen von den Reichen. Die Kriegsinvaliden von den Gesunden. Die Frauen von den Männern. Die im Bikini von denen im Burkini, bis heute ein Thema. „So wollten wir die Ausstellung nicht beenden“, sagt Dörfler bei der Führung. Auch nicht mit der deprimierenden Aufzählung der Lost Places, jener Bäder, die tatsächlich geschlossen wurden und für den Schwimmunterricht der Kinder fehlen. Stattdessen nehmen die Besucher nun die Geschichten von und mit Ebbe Kögel als letzte Eindrücke aus der Ausstellung mit. Die machen Mut. Zum Freischwimmen.