Das Hotel Silber stellt erstmals die Zeichnungen des Künstlers Kurt Grabert von dem Widerständler und Hitler-Attentäter aus, der am 9. April 1945 umgebracht wurde.

Am 8. November 1939 detonierte im Bürgerbräusaal in München eine Bombe, die den Lauf der Geschichte verändern und unendliches Leid und Unrecht hätte verhindern können. Der Kunstschreiner Georg Elser aus Königsbronn bei Heidenheim hatte sie in monatelanger, nächtlicher Arbeit in einer Säule angebracht, um Adolf Hitler zu töten und den Krieg zu beenden.

 

Aber der Führer hatte den Saal genau 13 Minuten zu früh verlassen. Nachdem Elser festgenommen worden war und gestanden hatte, holte die Gestapo in Stuttgart am 13. November seine Schwester Maria Hirth und ihren Mann zum Verhör in ihre Zentrale im Hotel Silber. Beide wurden verhaftet und ihr kleiner Sohn Franz, der an der Pforte auf seine Eltern wartete, einfach vergessen. Seit das Hotel Silber als Lern- und Gedenkort an die Verbrechen der NS-Zeit erinnert, erfahren die Besucher diese Geschichte des jüngst verstorbenen Franz Hirth genau an dieser Pforte.

Ein Mann, der in der ganzen Republik weitgehend totgeschwiegen wurde

Nun kann das Hotel Silber mit einem besonderen Schatz an Georg Elser erinnern: Den Zeichnungen, mit denen sich der Grafiker, Maler und Bildhauer Kurt Grabert (1922 – 1999) zwischen 1978 und 1983 mit Leben und Tat des Widerständlers auseinandergesetzt hat und die einfühlsam und vielschichtig diesen visionären Mann in Bezug zur politischen Bedrohung darstellen. Jetzt sind sie zum ersten Mal zu sehen, nachdem sie Lore Grabert-Kodera, die Witwe des Künstlers, anlässlich seines 100. Geburtstages als Leihgabe zur Verfügung gestellt hat.

Nicht nur Maria Hirth und die Familie haben sich lange nicht zu Georg Elser bekannt. Der Hitler-Attentäter, der als Sonderhäftling in Dachau am 9. April 1945, vier Wochen vor Kriegsende, umgebracht worden war, wurde in der ganzen Republik weitgehend totgeschwiegen. Auch Kurt Grabert war erst 1964 durch einen Artikel im Magazin „Stern“ und durch einen TV-Film von Rainer Erler 1969 auf diesen Mann aufmerksam geworden. Da waren die Themen Macht, Gewalt und Menschlichkeit längst zur zentralen Aussage seiner künstlerischen Arbeit geworden. „Sechs Jahre Krieg, in Russland und in der Ukraine, und die Gefangenschaft hatten meinen Mann geprägt“, erzählt Lore Grabert-Kodera, die das Werk ihres Mannes bei der Vernissage am Sonntag kundig und eindrucksvoll präsentiert.

Elser, der die Faust reckt, Elser als Opfer von Folterung und Mord

14 Blätter in fein gezeichneter Mischtechnik: Das Porträt von Elser, der Ausdruck ernst und gedankenschwer, umrahmt von den Tätern und der Masse anonymer Köpfe: Hitler und Hindenburg beim historischen Händedruck am 30. Januar 1933, dem Trag der Machtergreifung, an dem das Unheil begann. Elser, der die Faust reckt. Elser auf Knien beim Aushöhlen der Säule im Bürgerbräu. Beim Einsammeln von Staub und Steinen in einer Tüte. Bei der Arbeit an der Höllenmaschine, die Adolf Hitler töten sollte. Und dann Elser beim Verhör und als Opfer von Folterung und Mord.

„Mein Mann kam am selben Tag in Gefangenschaft, an dem Georg Elser umgebracht wurde“, erzählt Lore Grabert-Kodera. Und dass an diesem 9. April 1945 die Nazis auch Admiral Wilhelm Canaris und Dietrich Bonhoeffer, die Symbolfigur des kirchlichen Widerstandes, im KZ Flossenbürg liquidierten. Vor allem Bonhoeffer sei für ihren Mann eine wichtige Figur gewesen, ihn würdigte er in der Gestaltung der Bronzetüre für die Stadtkirche in Göppingen, die er in den neunziger Jahren schuf. Mit einem bildmächtigen Szenario biblischer und aktueller Motive bis hin zu Krieg und Holocaust.

Auch Stuttgart hätte beinahe eine Skulptur bekommen

Kurt Grabert ist im Stuttgarter Westen geboren und hat nach dem Krieg an der Kunstakademie studiert. Nach Jahren in der Werbung und als Chef-Layouter eines Frankfurter Verlags hat er als freier Künstler gearbeitet. Nicht nur die Kirchentüre, auch viele Skulpturen drücken seine Haltung aus“, versichert seine Witwe. „Er hat sich eingemischt, leidenschaftlich und unerschrocken.“ Auch Stuttgart hätte beinahe eine solche Skulptur bekommen. Doch sein Entwurf für ein Mahnmal gegen den Krieg wurde abgelehnt.