Die Sonderausstellung im Stadtmuseum widmet sich 200 Jahren Cannstatter Volksfest. Außerdem hat Wulf Wager, der für die Schau verantwortlich ist, ein Buch zu dem Thema herausgebracht.

Bad Cannstatt - Cannstatt ist bekannt für seine Mineralquellen – aber berühmt für etwas anderes: das Volksfest, das in diesem Jahr sein 200-jähriges Jubiläum feiert. Seine Entstehung geht auf die verheerenden Missernten 1816 zurück. Württembergs König Wilhelm I. gründete deshalb zwei Jahre später nicht nur eine landwirtschaftliche Unterrichts-, Versuchs- und Musteranstalt, die heutige Universität Hohenheim, sondern auch das „Landwirtschaftsfest zu Kannstadt“, den Vorläufer des heutigen Cannstatter Volksfestes. Es entwickelte sich im Laufe der Zeit zum größten Schaustellerfest Europas mit jährlich über vier Millionen Besuchern. Wie es vom Landwirtschaftsfest zum Mega-Event wurde, darüber informiert bis zum 14. Oktober eine Sonderausstellung im Stadtmuseum Bad Cannstatt. Gestaltet wurde sie von Wulf Wager, der aus Anlass des runden Jubiläums ein Buch mit gleichem Titel veröffentlicht hat.

 

Großes Rennoval

Ein Bruchteil dessen, was darin auf fast 200 Seiten festgehalten ist, findet sich auf den Schautafeln im historischen Klösterle wieder. Breiten Raum nimmt dabei das allererste Landwirtschaftsfest auf dem Cannstatter Wasen ein. Dort, auf dem Exerzierplatz, war ein großes Vorführ- und Rennoval abgesteckt worden, drumherum siedelten sich Schausteller an – und über dem Pavillon für König Wilhelm I. und seine Gemahlin Katharina erhob sich die Fruchtsäule. Es gab Pferderennen und Viehschauen, einen Krämermarkt, Vorführungen zur Volksbelustigung und Wirtshausbuden. Die eigentliche Attraktion sei damals freilich der bereits etablierte Brauch des Fischer- und Schifferstechens auf dem Neckar gewesen, berichtet Wager, der seit etwa sieben Jahren für den Cannstatter Volksfestverein so ziemlich alles sammelt, was mit der Geschichte des Festes zu tun hat. 1819 habe das Fischerstechen noch einmal stattgefunden – dann aber lange Zeit nicht mehr. Offenbar hatten sich einige Teilnehmer bei dem Spektakel ernsthaft verletzt, sodass es aus dem Programm verschwand. Erst 1883 wurde es wiederbelebt und fand dann in unregelmäßigen Abständen statt. Auch heute noch wird diese Tradition in Bad Cannstatt vom Verein Kübelesmarkt gepflegt. Das Fischerstechen findet im zweijährigen Turnus statt, allerdings nicht mehr während des Volksfestes, sondern im Juli.

30 000 Besucher

Rund 30 000 Menschen sollen beim ersten Cannstatter Volksfest das damals nur einen Tag währende Spektakel besucht haben. „Das ist viel, wenn man bedenkt, dass die Stadt Cannstatt seinerzeit nur rund 3000 Einwohner hatte und Stuttgart etwa 22 000“, berichtet Wager. Es seien offenbar auch viele auswärtige Besucher gekommen, „und das in einer Zeit, als es noch keine Eisenbahn und keine Autos gab und der Weg sehr beschwerlich war“. Das Ereignis hat der Cannstatter Stadtschreiber in der Chronik von 1818 in lobenden Worten beschrieben – das dicke Buch, eine Leihgabe des Stadtarchivs, ist in der Ausstellung zu sehen. Ebenso ein handgefertigtes Karussellpferd aus Lindenholz, das Friedrich Heyn 1907 für einen Schaustellerbetrieb geschnitzt hatte – mit einem Schweif aus echtem Rosshaar. Mittlerweile dauert das Cannstatter Volksfest 17 Tage. „Die Verlängerung war ein schleichender Prozess“, erzählt Wager mit knitzem Lächeln: „Die Wirte haben immer schon einen großen Einfluss gehabt.“ Wie das Fest zu dem wurde, was es heute ist, macht die Sonderausstellung deutlich. Es gibt zwar viel zu lesen, aber so erfährt man auch vieles, was weniger bekannt ist. Zum Beispiel, dass noch bis ins 20. Jahrhundert hinein Kameruner und Liliputaner zur Schau gestellt wurden. Und dass nach Amerika ausgewanderte Schwaben in New York schon 1862 einen Cannstatter Volksfestverein gegründet haben, kurz darauf folgte einer in Philadelphia. „Auch dort wird bis heute das Fest gefeiert.“ Wie Wager einräumt, gibt es den hiesigen Volksfestverein erst seit 1994.