Die Ausstattungsleiterin des Wilhelma-Theaters in Stuttgart zeigt Malerei, Zeichnungen und Kostüme aus 30 Jahren Berufserfahrung. Den Ludwigsburgern bekannt sein dürfte Kersten Paulsen aber vor allem wegen des Blühenden Barocks.

Ludwigsburg - Wer Sofia Coppolas „Marie Antoinette“ gesehen hat, weiß: Erst die Brechung durch die Brille der heutigen Zeit macht einen historischen Stoff für uns interessant. Im Film sieht man die üppige Barock-Garderobe der Königin, darunter aber auch ganz neuzeitliche Chucks. Eine ähnliche Irritation löst das Betrachten mancher Theater-Kostüme von Kersten Paulsen aus, die derzeit im Atrium des Erweiterungsbaus des Landratsamts in Ludwigsburg zu sehen sind. Da mischen sich üppige Barock-Kostüme mit Turnschuhen oder das dezente Kleid einer Magd der Renaissance-Zeit mit quietschbunten Sneakers.

 

„Man muss die Kostüme in die eigene Zeit zerren“, sagt die ausgebildete Malerin, die seit 1994 in Markgröningen wohnt. Für Paulsen ist aber wichtig, dass der historische Ursprung der Kleider noch lesbar bleibt. So gibt es in der Ausstellung ein prachtvolles Rokoko-Kleid zu bewundern, das es mit seiner schwarzen Farbe, seinem weichen Material und seiner reduzierten Schlichtheit so nie im Original gegeben hätte. Die Kostüme stammen allesamt von Aufführungen in Oper und Theater, die meisten aus ihrer Arbeit als Ausstattungsleiterin am Wilhelma Theater Stuttgart.

Märchenszenen im Blühenden Barock

Den Ludwigsburgern bekannt sein dürfte Kersten Paulsen aber vor allem wegen ihrer Märchenszenen im Blühenden Barock. Im Jahr 2008 gewann sie den Entwurfwettbewerb zur Gestaltung einer begehbaren Märchenszene aus der Erzählung „Däumelinchen“. Ein Jahr später, zum 50. Jubiläum des Märchengartens, eröffnete die 175 Quadratmeter große Attraktion. Weitere Märchenszenen, etwa zu Max und Moritz oder Dornröschen, folgten. Im Kreishaus können Besucher die Zeichnungen begutachten, die die Vorlage für die Märchenszenen waren: Mit feiner Linie gezogene und detailreiche Zeichnungen, die besonders für Märchengarten-Kenner interessant sein dürften, da man an den Zeichnungen den Entstehungsprozess der Figuren nachvollziehen kann. Auch die Zeichnungen zu den Kostümen sind sehr genau und haben eine fast schon dreidimensionale Plastizität.

Plastische Zeichnungen, abstrakte Gemälde

Die Ausstellung beschränkt sich aber nicht auf Paulsens Arbeit als Kostüm- und Bühnenbildnerin. Es sind auch Gemälde der Künstlerin zu sehen. Im Gegensatz zu den naturgemäß sehr plastischen und konkreten Arbeiten arbeitet Paulsen hier abstrakt. Zum einen sind es Bilder, die von der Topografie von Steinbrüchen inspiriert sind. In den harschen Linien und Kanten dominiert das Ockerfarbene, nur vereinzelt mag man einen menschlichen Umriss erkennen als Hinweis darauf, dass dieses Landschaftsbild ein menschgemachter Eingriff in die Natur war. Noch düsterer ist ein von Stahl eingerahmtes Gemälde, das die Vogelperspektive auf den Reaktorgraben in Tschernobyl darstellen soll.

Vor allem der Kontrast zwischen den feinen Kostümzeichnungen und den schroffen Gemälden macht diese Ausstellung sehenswert. Kersten Paulsen schätzt die Variation: „Künstlerisch zu arbeiten heißt auch, auf der Suche nach Fragen zu sein und diese zu beantworten. Wenn man immer nur dieselben Fragen beantwortet, ist das Stillstand.“