Henning Wagenbreth hat Stevensons Gedicht „Der Pirat und der Apotheker“ ins Deutsche übersetzt und zeigt im Literaturhaus Stuttgart seine quietschbunten Illustrationen zu der Ballade.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Es sind zwei richtige Lausbuben, echte Rabauken eben. Ben klaut die Kirchenkasse, Robin prügelt sich. Was soll aus solchen Kerlen werden? Der eine wird Apotheker, der andere Pirat. Ben „panscht Arznei, ölt sich die Haare – und berät die Ahnungslosen in glatten Apotheker-Posen“. Und „zur gleichen Zeit in weiter Ferne, kämpft Pirat Robin hart und gerne“. Robert Louis Stevenson hat den Werdegang dieser beiden Unholde aufgeschrieben in seiner Ballade „Der Pirat und der Apotheker“. Mit moralischem Zeigefinger, aber durchaus ironisch packte er die Abenteuer des Piraten und die Gemeinheiten des Apothekers in Reime. Mit seiner „Schatzinsel“ wurde Stevenson berühmt, seine vor 130 Jahren erschienene Ballade aber wurde nie ins Deutsche übersetzt.

 

Knallbunte Illustrationen

Das hat Henning Wagenbreth nachgeholt. Er ist in Berlin Professor für Illustration und Grafikdesign, er gestaltet Bücher, Plakate, Briefmarken und Zeitungen – und hat Stevensons Reime nicht nur zeitgemäß und witzig ins Deutsche übertragen, sondern auch mit knallbunten Illustrationen versehen. Im Peter Hammer Verlag ist das Buch erschienen – und das Literaturhaus Stuttgart widmet dem Projekt nun eine Ausstellung. Auf großen Transparenten sind einige Stationen dieser belehrenden Ballade festgehalten, bei der Stevenson allerdings das klassische Benimmbuch ins Gegenteil umkehre, wie Wagenbreth meint. „Die Jungs machen alles falsch, was man falsch machen kann.“

Stevenson wusste, wovon er schrieb. Er war wahrlich keiner, auf den die Eltern stolz sein konnten. Er, der Sohn eines schottischen Leuchtturmkonstrukteurs, brach das Studium ab und trieb sich lieber in Nacht- und Debattierklubs herum. Er heiratete eine zehn Jahre ältere Frau mit zwei Kindern, ohne es sich finanziell leisten zu können. Und als bei ihm auch noch Tuberkulose diagnostiziert wurde, mussten die Eltern wieder in die Tasche greifen und dem Sohn samt Familie einen Kuraufenthalt in Davos finanzieren.

Harte Striche, komplexe Linienführung

Vielleicht hätte Stevenson Pirat werden sollen. Als Ben sich nach langen Reisen auf den Heimweg macht, hat er kistenweise Gold und Schätze im Gepäck. „Seltsam, wenn ein Mann von Welt, vom Himmel in die Heimat fällt“, heißt es nun in Wagenbreths Übersetzung. „Und die braven Bürger flehen: Er soll schnell nur wieder gehen. . . Sein Seemannsgarn ist schon genial, Doch ist es Bluff oder brutal?“

Wagenbreths Bilder dazu sind stark erzählerisch. Mit harten Strichen, Lust an grafischer Strenge, mit komplexer Linienführung und poppigen Farben lässt er wuselige Szenen entstehen, die voller Anekdoten und Details stecken. Hier kläffen die Hunde und stürmt der Juwelenhändler wütend mit der Bratpfanne in der Hand aus dem Laden. Dort posiert das Äffchen in Pagenuniform auf den Schatzkisten und ballert übermütig in die Luft. Schiffe versinken, eine Frau versucht im Feuer ihr Kind zu retten. Aber ob Innen- oder Außenraum, immer greift Wagenbreth zu einer eigenwilligen Perspektive, die eher flächig ist, als in den Raum vorstößt.

Mit der Familie ging es bergab

Auch Stevenson hat seine Ballade illustriert, seine kleinen Schwarz-Weiß-Bilder sind aber das ganze Gegenteil von Wagenbreths großen Formaten. Sie sind schlicht, wie Scherenschnitte gearbeitet und auf eine klare Erzählung reduziert: Da peitscht sich die Familie niesend durch den Regen oder zupft der Vater an den leeren Hosentaschen. Mit der Familie Stevenson ging es während des Davos-Aufenthaltes langsam bergauf. Denn Stevensons Stiefsohn besaß eine Druckerpresse. Der finanzielle Sorgen leid, begann er, Programmzettel für Kurkonzerte, Briefköpfe und Anzeigen zu drucken – mit Erfolg. Er war es auch, der die ersten Gedichte des Stiefvaters veröffentlichte, das Büchlein verkaufte sich unter den Kurgästen bestens. Kurz vor der Abreise aus Davos entstand „Der Pirat und der Apotheker“. Am Ende der Ballade sind die beiden Rabauken zwar älter, aber keineswegs zahmer: „Ben prahlt sehr von seinen Pillen, Rob von Frauen der Antillen“.

Ausstellung bis 12.Februar , geöffnet vor den Abendveranstaltungen oder nach Anmeldung unter Telefon 22 02 17 3.