Katharina Foerster stellt im Naturkundemuseum ihre Forschung über das Paarverhalten von Vögeln vor – Seitensprünge inklusive.

Stuttgart - Aufopfernd kümmern sich Papa und Mama Blaumeise um ihren Nachwuchs. Viele Mäuler gilt es, mit Würmern und Maden zu füttern. Das Paar wirkt harmonisch und vertrauensvoll. Doch der Schein trügt. Denn Blaumeisen-Weibchen sind alles andere als treu. Sie suchen sich andere Männchen, um weiteren Nachwuchs zu zeugen. Das hat Katharina Foerster, Professorin am Institut für Evolution und Ökologie der Uni Tübingen, herausgefunden. Am Mittwochabend hat sie im Rahmen der Sonderausstellung „Sex““ über das treulose Verhalten der Vögel im Museum am Löwentor berichtet.

 

Bei einem Feldversuch hat Katharina Foerster in fast jedem zweiten Nest einen Jungvogel gefunden, der von einem anderen Männchen stammte. Dazu hatte sie genetische Test vorgenommen. Rund 16 Prozent aller geschlüpften Vögel wurden fremdgezeugt. „Blaumeisen stehen unter einem starken Selektionsdruck. Die Zeit drängt“, so Katharina Foerster. „Nur die wenigsten Tiere werden älter als zwei Jahre.“ Zudem müssen sie ihre Jungen im Mai ausbrüten, sonst ist es zu spät im Jahr und der Nachwuchs überlebt nicht. Teamwork wird bei den Blaumeisen großgeschrieben. Für die Aufzucht der Jungen müssen beide Eltern zusammenstehen. Oft bleiben sie ein Leben lang zusammen. „Aber es gibt auch Trennungen“, hat Foerster festgestellt. Den Grund kenne man aber nicht.

„Zu Hause hat man den Loser . . .“

Die Weibchen tun sich mit dem erstbesten Männchen zusammen, um so schnell wie möglich mit der Brut zu beginnen. Und die Männchen sind froh, überhaupt ein Weibchen abzukriegen. Die Vögel finden sich aus einem sozialen und genetischen Grund zusammen. Der soziale Partner baut das Nest und verteidigt das Revier. Mit ihm zieht das Weibchen den Nachwuchs auf. Für ihre genetische Fortpflanzung sucht sie jedoch nach weiteren männlichen Blaumeisen. „Zu Hause hat man den Loser und schaut sich woanders nach einem Männchen um“, sagt Katharina Foerster.

Bei ihrem Seitensprung geht die Blaumeisin ziemlich raffiniert vor. Und zwar geht sie nur in der Morgendämmerung fremd – Dann, wenn ihr sozialer Partner hoch im Baum sitzt und singt.

Tagelang hat sich das Weibchen die Stimmen der anderen Männchen angehört und ist hin und wieder zu Erkundungsflügen aufgebrochen. Sie weiß genau, auf welchem Baumwipfel ihre Affäre sitzt. Sie fliegt schnurgerade zum anderen Männchen, kopuliert und fliegt sofort zurück. Meist wählt sie Männchen aus, die größer und älter sind als ihr sozialer Partner.

Chancen für die Schönen

Rund zwei Wochen lang legt eine Blaumeise jeden Tag ein Ei. In dieser Zeit geht sie immer wieder fremd. Doch der Vorteil Fremdzugehen sei eher klein, so Foerster. Auf dem Flug zur Affäre kann etwas passieren, und die ganze Aktion kostet auch viel Energie. Allerdings hat die Biologin auch herausgefunden, dass die fremdgezeugten, männlichen Jungtiere größere Überlebenschancen haben und sich erfolgreicher fortpflanzen. Außerdem haben sie ein schöneres Gefieder, das sie wiederum für andere Weibchen auffälliger macht. Damit haben sie wieder die Chance ihre Gene öfter vererben zu können.

Gibt es denn überhaupt Monogamie im Tierreich? „Sehr selten“, sagt Katharina Foerster. „Beim Fichtenkreuzschnabel oder dem Wanderalbatros ist ein soziales und genetisches Paarsystem nachgewiesen. Bei den Blaumeisen ist das Fremdgehen in den Genen abgespeichert“, so die Vogelexpertin. Es ist allerdings nicht bekannt, ob die Weibchen überhaupt wissen, warum sie es tun – und ob die Männchen über den Betrug Bescheid etwas wissen.

Termin Der nächste Vortrag zur Sonderausstellung findet am 29. Februar um 19.30 Uhr statt. Peter Kappler von der Universität Göttingen spricht dann über „Sex bei Primaten“. Die Ausstellung „Sex““ ist noch bis zum 20. Mai im Schloss Rosenstein zu sehen.