Eine Ausstellung zeigt, was ein öffentliches Gebäude bieten müsste, um akzeptiert zu werden – und die Bürger einander näherzubringen.

Architektur/Bauen/Wohnen: Andrea Jenewein (anj)

Stuttgart hat ein Problem: Die Stadt hat genug Geld, um für alle nur erdenklichen Gruppen Orte zu schaffen. Da gibt es Orte für Eltern und Kinder, Häuser für Jugendliche, Treffpunkte für Obdachlose und Stätten für Sportler. Das, was auf den ersten Blick positiv erscheint, kann tatsächlich zu Problemen führen – weil es diese einzelnen Gruppen zwar befriedigt, aber nicht befriedet, einander nicht näherbringt. Denn es fehlt an einem Ort für den Austausch aller Bürger.

 

Dieser Meinung sind zumindest Martina Baum, Direktorin des Lehrstuhls Stadtplanung und Entwerfen am Städtebau-Instituts der Uni Stuttgart, und Markus Vogl, Professor am Städtebau-Institut. Zusammen mit Studierenden haben die beiden Forschungsarbeit betrieben, um herauszufinden, „warum wir Öffentlichkeit, öffentlichen Raum und öffentliche Gebäude brauchen“.

Wie können Planende dazu beitragen, die Situation zu entschärfen?

Einer der Gründe ist, dass eine Stadtgesellschaft einen Ort braucht, „wo sie sich selbst verhandelt“, wie Baum sagt. „Stuttgart ist eine multikulturelle Stadt, aber die Vielfalt wird oft nicht als Chance gesehen, sondern als Bedrohung.“ Wenn dann eine Gruppe marginalisiert werde, biete das großes Konfliktpotenzial – wie zuletzt etwa am kleinen Schlossplatz. „Wir als Planende haben uns gefragt, wie wir dazu beitragen können, die Situation zu verbessern“, sagt Vogl. Bei vielen Menschen stoße man mit dieser Fragestellung auf Unverständnis – denn selten nur würde diese Problematik im räumlichen Kontext gesehen. „Das ist aber keineswegs die Spinnerei von Architekten, auch in der Soziologie, der Ökonomie oder den Politikwissenschaften wird diskutiert, wie wir miteinander ins Gespräch kommen können“, sagt Vogl und zeigt auf einen Tisch, wo zahlreiche Publikationen dazu aufgereiht sind. Diese sind Teil der Ausstellung, die derzeit im Stadtpalais zu sehen ist.

Wie also können Planende dazu beitragen, die Situation zu entschärfen? „Wir haben uns gefragt, wie ein öffentliches Gebäude aussehen müsste, damit alle Gruppen einer Stadtgesellschaft es als ihr Allgemeingut betrachten würden und sich dort träfen, um sich auszutauschen“, sagt Vogl. Um das herauszufinden haben sich die Forschenden an Orte begeben, wo es solche öffentlichen Gebäude bereits gibt, etwa nach Paris ins Le Centquatre, ins Kulturhuset in Stockholm oder ins Sesc Pompeia nach Sao Paulo.

Den Menschen im Zentrum des Täglich, die Architektur ist Mittel zum Zweck

Aus dem, was sie von ihren Feldstudien mitnahmen, zogen sie ihr eigenen Schlüsse. Vogl nennt einige dieser für ihn unerlässlichen Bausteine für ein Täglich, wie sie ihren öffentlichen Ort genannt haben: „Die Planenden sollten keinen fertigen Entwurf liefern, sondern Ansätze für die Bürger bieten, um daraus etwas entstehen zu lassen. Es darf keine Überwindung kosten, das Täglich zu betreten. Deshalb muss man weg vom Erhabenen, muss eher auf robuste Materialien setzen und mit wenig Mitteln einen Raum entwickeln.“ Als Gegenbeispiel zum Täglich nennt er die Architektur der Stuttgarter Stadtbibliothek: „Das ist tolle, aber abweisende Architektur. Man muss ihre Schwere durch ein Angebot ausgleichen, etwa durch Veranstaltungen oder WLAN“, sagt Vogl.

Er und Baum sehen den Menschen im Zentrum des Täglich, die Architektur ist Mittel zum Zweck, sie steht zurück, protzt nicht – ist aber nicht minder wichtig. „In der Konsequenz bedeutet das, dass wir uns als Architekten zurücknehmen müssen“, sagt Vogl.

Die Ausstellung im Stadtpalais geht bis zur Finissage am 11. Oktober, bis dahin gibt es täglich Programm. Infos unter: www.stadtpalais-stuttgart.de/ausstellungen/taeglich.