Eine Fotoausstellung in der Brenzkirche und drei Konzerte in weiteren Kirchen erinnern unter dem Titel „Was liegt die Stadt so wüste“ an die Zerstörung Stuttgarts vor 75 Jahren.

Stuttgart - Die Idee zu dem breit gefächerten Programm, zu dem auch ein Gottesdienst und ein Lichtbildvortrag gehören, entstand rein zufällig. Bei einer Stolpersteinverlegung vor zwei Jahren lernten sich der Hobby-Historiker und Buchautor Jörg Kurz und der Macher der Sonntagsmusik Helmut Wolf kennen. Der Musikprofessor wollte von dem Stuttgart-Kenner wissen, wo er „ein paar Fotos“ herbekommen könnte, um seine Sonntagsmusik mit einem Wortbeitrag zur Zerstörung Stuttgarts in der Erlöserkirche zu illustrieren. 14 Jahre hat Wolf die Reihe „Sonntagsmusik“ in der Erlöserkirche und im Gemeindehaus der Erlöserkirche im Stuttgarter Norden organisiert, inhaltlich gestaltet und moderiert. Das Wortkonzert am 3. März wird sein letztes sein. Mit Kurz hatte er genau den Richtigen gefragt. Denn der weiß nicht nur, wer solche Fotos hat, sondern besitzt selbst einen Fundus mit Bildern vom zerstörten Stuttgart. Und damit war die Idee zur Ausstellung geboren, in der insgesamt rund 100 Fotos zu sehen sind.

 

Fotos vom Krieg durften nicht gemacht werden

Der Titel „Wie liegt die Stadt so wüste . . .“ für die Ausstellung und Konzertreihe geht auf die Klagelieder des Jeremia über die Zerstörung Jerusalems zurück, vertont im 17. Jahrhundert von dem Komponisten Matthias Weckmann. Zunächst sollte die Ausstellung im Augustinum am Killesberg gezeigt werden. „Daraus wurde nichts, weil die Bewohner des Seniorenzentrums nicht mit ihrer Vergangenheit konfrontiert werden wollten“, sagt Kurz. Mit der Brenzkirche wurde ein neues Domizil gefunden, in dem es noch mehr Platz für die Fotos gibt. Und den braucht Kurz auch: „Mitten in der Nacht ist mir nämlich eingefallen, dass die Ausstellungsbesucher nicht nur die Trümmer und Menschen, die in den Trümmern leben, sehen sollten. Ihnen sollte auch das Stuttgart vor der Zerstörung gezeigt werden“, sagt Kurz. Deshalb wird die eigentliche Ausstellung jetzt noch ergänzt durch Fotos im Foyer und Treppenhaus, die zum Beispiel das alte Rathaus und die historischen Häuser rund um den Marktplatz zeigen. Das Konzept dahinter: Die Besucher bekommen zunächst einen Eindruck von Stuttgart wie es einmal war. Und erst dann sehen sie die Bilder der Zerstörung und bekommen einen Begriff davon, was verloren gegangen ist. Kurz: „Kaum jemand weiß doch noch, wie das alte Stuttgart ausgesehen hat.“

Und hätte nicht der Fotograf und Kriegsberichterstatter Hannes Kilian (1909-1999) die Aufnahmen während der Kriegshandlungen gemacht, gäbe es darüber so gut wie keine Bilddokumente mehr. Kurz: „Den Krieg zu fotografieren war strengstens verboten. Doch als Kriegsberichterstatter hatte Kilian die Erlaubnis dazu.“ Die Fotos von Hannes Kilian hat das Haus der Geschichte für die Ausstellung zur Verfügung gestellt. Die Texte stammen aus Gesprächen und Interviews mit Zeitzeugen, die Kurz geführt hat, und von Aufzeichnungen der Pfarrgemeinden im Stuttgarter Norden

Wichtig ist Kurz und Wolf, dass nicht nur ältere, sondern auch junge Leute die Ausstellung sehen. „Die Schüler vom Eberhard-Ludwigs- und vom Hölderlin-Gymnasium haben sich schon angekündigt“, sagt Wolf. Und klar werden soll auch, von wem der Zweite Weltkrieg ausging: nämlich von Nazi-Deutschland. „Der Krieg kam nicht plötzlich über Nacht, sondern wurde von langer Hand angezettelt“, stellt Kurz fest. Und Wolf ist es wichtig, dass seine Sonntagsmusik in der Erlöserkirche und die beiden weiteren Konzerte in St. Georg und der Gedächtniskirche aufgeführt werden. Es sind Kirchen, die wie auch die Brenzkirche im Zweiten Weltkrieg ebenfalls zerstört oder stark beschädigt worden sind.

Und was passiert nach der Ausstellung mit dem vielen Material? „Es wäre schade, wenn die Dokumente nach der Ausstellung verschwinden würden“, stellt Helmut Wolf fest. Aber ob ein neues Buch daraus wird? Kurz zuckt mit den Schultern: „Geschrieben wäre das schnell. Aber es muss sich auch ein Verlag finden, der es druckt.“

Die Sachkosten für die Ausstellung und Konzerte von 950 Euro übernimmt der Bezirksbeirat-Nord.

Veranstaltungen

Freitag, 1. März,
18 Uhr: Eröffnung der Fotoausstellung in der Brenzkirche, Am Kochenhof 7.

Sonntag, 3. März,
18 Uhr: Sonntagsmusik in der Erlöserkirche, Birkenwaldstraße 24. Helmut Wolf moderiert seine letzte Sonntagsmusik (mit Gedichten und Zeitzeugenberichten).

Sonntag, 17. März,
11 Uhr: Gottesdienst in der Brenzkirche „Nie wieder Krieg“.

Sonntag, 24. März,
18 Uhr: Orgelkonzert mit Samuel Kummer, Eintritt: 10, ermäßigt 5 Euro.

Donnerstag, 28. März,
19 Uhr. Lichtbildvortrag in der Brenzkirche (Saal) von Jörg Kurz.

Samstag, 6. April,
19 Uhr: Abendmusik in der Gedächtniskirche. Eintritt frei.

Öffnungszeiten
bis 7. April täglich von 9 -18 Uhr. Eintritt frei.