In Cannstatt laufen die Vorbereitungen für eine große Modellstraßenbahnausstellung. Gleichzeitig werden die Weichen für den künftigen Ausstellungsbetrieb gestellt.

Stuttgart - „Fahrt ins Blaue“ verkündet die Tafel oben am farbenfroh mit Weinreben bemalten Schienenfahrzeug mit der Nummer 999. Bis 1995 waren die umgebauten Basisfahrzeuge aus den 60er-Jahren als Partywagen in Stuttgart unterwegs. Am Montagnachmittag steht das legendäre Gefährt vorerst zum letzten Mal in der ständigen Ausstellung der Straßenbahnwelt Stuttgart. Der nächste Halt heißt „obere Wagenhalle“. Dort lagern Schätze, die nicht für die Öffentlichkeit zugänglich sind. „Wir stellen um“, erklärt Jürgen Daur vom Verein Stuttgarter Historische Straßenbahnen (SHB). „Wir müssen Platz für die Modellstraßenbahn-Ausstellung ,Kleine Bahn ganz groß‘ schaffen, die am 27. und 28. Mai zu Gast sein wird. Wir erwarten 45 Anlagen von Ausstellern aus fünf Nationen. Wir wollen zudem die Sammlung neu gestalten, im Hinblick auf den 150. Geburtstag der Stuttgarter Straßenbahnen im kommenden Jahr“, sagt er.

 

Ein Tieflader muss die Bahnen umparken

Nun lassen sich die Großobjekte im einstigen Cannstatter Straßenbahndepot am Veielbrunnenweg nicht einfach umparken. „Teilweise stehen sie auf Gleisen, die nicht an das Streckennetz angeschlossen sind“, gewährt Daur Einblick in die Tücken der Umgestaltung. Deswegen komme ein Straßentieflader zum Einsatz. Der historische Zug der Zahnradbahn mit seinen beiden Hängern aus dem Jahre 1898 lasse sich selbst mit dieser Hilfe dann nicht ohne Weiteres bewegen. „Es ist recht beengt hier und es besteht die Gefahr, mit den Zahnrädern irgendwo hängenzubleiben“, weiß der Experte, der sich seit 40 Jahren mit der Geschichte der Stuttgarter Straßenbahnen befasst. „Wir haben dieses besondere Exponat schon in der Ausstellung gezeigt. Jetzt bleibt es vorerst an seinem Platz in der oberen Halle. Bei Sonderführungen kann man es trotzdem begutachten.“

Elf der insgesamt 80 Schienenfahrzeuge, die das Museum beherbergt, wechseln binnen zwei Tagen ihren Standort. Gleichzeitig werden einige der Arbeitsgruben zwischen den Gleisen – Relikte aus Depotzeiten – verschlossen und damit potenzielle Stolperfallen in der Ausstellung beseitigt. Das dauert seine Zeit. Bis zum 13. Mai ist kein Ausstellungsbesuch möglich. Die Maßnahmen seien nicht nur für die Modellstraßenbahnschau wichtig, rechtfertigt Daur den Aufwand. Man werde auch insgesamt flexibler.

Den Vorläufer der Straßenbahn zogen Pferde

Dem 62-Jährigen ist die jahrzehntelange Begeisterung für die Materie anzumerken. Flugs improvisiert er eine kleine Führung zu den Höhepunkten der Sammlung, etwa dem Fahrgestell einer Pferdebahn, wie sie 1868 erstmals durch Stuttgart gezogen wurde. Ein Modell zeigt, dass es sich bei diesem Vorläufer der Straßenbahn um einen Doppeldecker handelte. „Oben durften nur die Herren sitzen“, merkt Jürgen Daur an. „Bei den Damen hätte man die Waden sehen können und das galt als unschicklich.“ Inzwischen herrscht in der Bahn Gleichberechtigung. Auch der SHB ist keine Männerdomäne: 17 Prozent der knapp 400 Vereinsmitglieder sind Frauen, sagt Daur.

Die Pferdebahn ist eines jener Objekte, die bald anders präsentiert werden sollen. Daneben wird auch der Bereich mit den Bussen aufgewertet. „Die SSB ist der größte Omnibusbetrieb im Südwesten“, würdigt Daur den motorisierten Personennahverkehr. „Dieser Zweig kann ja auch schon auf eine 75-jährige Historie zurückblicken.“ Die öffentlichen Verkehrsmittel andere Städte reizen den gelernten Großhandelskaufmann weniger: „Mich interessiert die Entwicklung der Straßenbahn in Verbindung mit der Stuttgarter Stadtgeschichte“, sagt er. Am lebendigsten wird die Vergangenheit natürlich, wenn alte Straßenbahnen zu Sonderfahrten ausrücken. Noch ruhen die Oldtimerlinien 21 und 23E wegen Bauarbeiten an der Staatsgalerie und am Leuzeknoten. Doch Jürgen Daur hat eine gute Nachricht: „Die 23 wird im Dezember nach vier Jahren Pause wieder in Betrieb gehen und von der Straßenbahnwelt zum Fernsehturm fahren“, kündigt er an. Bis es soweit ist, verkehrt jeden Sonntag ein historischer Omnibus auf einer ähnlichen Route.