Den Haag feiert den deutschen Malerfürsten Markus Lüpertz mit einer Retrospektive. Der Künstler wird von manchen als arrogant verkannt.

Korrespondenten: Helmut Hetzel (htz)

Stuttgart - Markus Lüpertz genießt es sichtlich. Bei der Eröffnung seiner großen Übersichtsausstellung "Im göttlichen Licht" im renommierten Gemeentemuseum (GEM) in Den Haag werden ihm alle Ehren zuteil, die der Kunstbetrieb heute zu bieten hat. Der Andrang zur Ausstellungseröffnung ist riesig und prominent, Museumsdirektor Benno Tempel nennt ihn den "König der Maler". Jürgen Großmann, der Chef des Energiekonzerns RWE, der die Ausstellung sponsert, hält ihn für einen "ganz Großen, ein Genie". Als Genie sieht sich Lüpertz übrigens auch selbst. Er meint, die Künstler haben gemeinsam mit Gott die Welt erschaffen. "Die Künstler sind die Crème de la Crème. Alles andere sind Zwerge."

 

Mit solch kernigen Aussagen schafft sich Markus Lüpertz nicht nur Freunde. Sein Selbstbewusstsein und seine Art, von manchem als arrogant verkannt, machen Lüpertz umstritten. In Salzburg mögen manche Lüpertz nicht, weil er eine angeblich "obszöne" Skulptur von Mozart schuf. In Deutschland legt sich Lüpertz gern mit bestimmten Medien an, besonders mit denen, die Lüpertz "kategorisieren" und "eintüten", ihn in eine Schublade stecken wollen. Dabei ist der große Maler und Bildhauer im persönlichen Gespräch ein sehr charmanter und humorvoller Mensch. Arrogant wirkt der 70-Jährige nicht.

"Ausdruck von Sehnsucht und Verzweiflung"

Wir fragen ihn: "Was ist Malerei?" Antwort: "Die Malerei ist es, die den Menschen die Welt erklärt und begreifbar macht. Wenn man einen Sonnenuntergang sieht, wird man an den britischen Maler William Turner denken. Caspar David Friedrich hat uns gelehrt, Landschaften zu begreifen und Sehnsüchte zu erleben. Das Bild von einem Baum im Winter ist unlöslich mit Edvard Munch verbunden. Ohne Kunst, ohne Malerei hätten die Menschen die Welt nie so sehen können wie sie ist."

Über seinen eigenen Stil will Markus Lüpertz keine konkreten Angaben machen. "Ich stehe in der Tradition der europäischen Malerei. Ich unterscheide mich klar vom konkreten Malen der Amerikaner à la Roy Lichtenstein. Jedes meiner Bilder ist singulär. Es ist immer ein Ausdruck von Sehnsucht, von Verzweiflung, es beinhaltet immer auch das Risiko, zu versagen und das Streben nach Vollendung. In Europas Kunst und in Europas Malerei gehört das Scheitern und das Unvollendete mit zur Kunst. Das zeigt schon ein Torso in der Antike. Rodin hat den Torso zur Vollendung gebracht. Deshalb hat mein Herkules auch nur einen Arm."

Als Ikone der Malerei stilisiert

Sein "Herkules" ist eine 16 Meter hohe Skulptur mit blauem Bart, knallroten Lippen und nur einem Arm, die Lüpertz als Beitrag zur Kulturhauptstadt Ruhrgebiet 2010 auf einer alten Zeche in Gelsenkirchen platziert hat. 35 Tonnen wiegt der Herkules mit dem überdimensionierten Kopf. "Der Kopf des Herkules musste so groß ausfallen, weil Herkules auf einem Zechenturm steht. Wäre er kleiner gewesen, hätte man den Kopf von unten gar nicht mehr erkennen können", erläutert Lüpertz das Konzept seiner Herkules-Statue.

Sehr kritisch äußert sich Lüpertz, der von 1988 bis 2009 Rektor und Professor an der Staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf war, über die heutige Rezeption der Malerei. "Mit der Malerei ist es in gewisser Weise wie mit der Literatur und mit den Büchern. Es werden zwar immer mehr Bücher gekauft, aber es wird immer weniger gelesen." Mit Gemälden sei das ähnlich. "Früher hängte man sich einen röhrenden Hirsch ins Wohnzimmer, heute ein Foto von Marilyn Monroe oder man schaut sich Videos an. Die Unterhaltungsindustrie ist die völlige Verblödung. Die Technik ist dabei, sich selbst zu besiegen."

Markus Lüpertz, der sich selbst als Ikone der Malerei stilisiert und sich durch einen Kleidungsstil in Szene setzt, auf den Karl Lagerfeld neidisch werden könnte, ist der Harry Mulisch der Malerei. Harry Mulisch ("Die Entdeckung des Himmels") und Markus Lüpertz (Neo-Expressionist) eint die Überzeugung der eigenen Berufung. Mulisch, der am 30. Oktober 2010 verstarb, pflegte zu sagen: "Ich bin unsterblich und der größte Schriftsteller". (Markus Lüpertz: "Ich bin ein Genie.") Beide haben recht. Der eine als Schriftsteller, der andere als Maler und Bildhauer. Beide behaupten auch: "Als Künstler wird man geboren. Man ist es oder man ist es nicht."

Markus Lüpertz: ,,Im göttlichen Licht, In't God'lijk licht, In divine Light" Den Haag, Gemeentemuseum bis 2. Oktober 2011.