Lisa Biedlingmaier und Bernadette Wolbring kuratieren ihre dritte Ausstellung in den Wagenhallen. Diesmal geht es inhaltlich um Optimierung, in der Form aber auch um die Zukunft des Kulturorts im Stuttgarter Norden.

Stuttgart - Welche Stellung nimmt der Künstler im urbanen Raum ein, der fortwährend von Gentrifizierung bedroht ist? Diese Frage stellen sich viele Kreative, darunter auch Lisa Biedlingmaier und Bernadette Wolbring. Die beiden Künstlerinnen haben sich vor langer Zeit zu einem Kuratorinnen-Team zusammengeschlossen, stellen nun nicht mehr nur selbst aus, sondern organisieren gleichzeitig unter dem Namen peekaboo!Ausstellungen. Beide haben an der Akademie der bildenden Künste studiert, sich aber erst in New York bei einem gemeinsamen Projekt kennengelernt.

 

Gentrifizierung ist ein großes und viel diskutiertes Thema - auch und gerade in der Kunstwelt. Künstler werden gerne als Leidtragende aber auch Auslöser derselben wahrgenommen. Das Schema, so scheint es, ist immer dasselbe: Erst bevölkern Künstler und andere Kreative auf der Suche nach günstigen Mieten für Ateliers und Wohnungen eher unwirtliche Ecken der Stadt. Der Ort wird aufgewertet, es folgen Cafés und Restaurants - und irgendwann die Investoren. Die Mieten werden teuer und dann geht das Spiel von vorne los.

Eine ortsspezifische Ausstellung

"Wie verhalten wir uns als Künstler in dieser Situation", fragt Lisa Biedlingmaier während eine Stadtführung an den Wagenhallen vorbeizieht und im Vorbeigehen hinter die Tore lugt. "Das passt ja jetzt ganz gut", sagt die Künstlerin und lacht.

"Refine all Pores" ist die dritte Ausstellung, die die beiden im Kunstverein Wagenhalle kuratieren. Diesmal geht es inhaltlich zwar nicht wie zuvor direkt um den Standort, was die Form der Ausstellung angeht hingegen schon: Auch diese wurde spezifisch für den Ort entwickelt, an dem in den nächsten Jahren viel passieren wird. Bespielt werden zum einen die Container, in denen in nächster Zeit Ateliers und Werkstätten für die Zeit während der Renovierung eingerichtet werden. Und zum anderen das Kunstlager, das Publikum steht als Zaungast davor. "Wir sind Meister im Improvisieren", sagt Lisa Biedlingmaier.

Unkonventionelle Herangehensweise

Die Künstlerinnen und Künstler, die bei der Ausstellung ihre Werke zeigen, kommen aus Deutschland, Schweden und der Schweiz. Biedlingmaier und Wolbring schätzen gerade das an ihrer Kuratoren-Arbeit: Immer neue Künstler in immer neuen Konstellationen zusammenbringen. Wie in einer Band, die stets neu zusammengestellt wird.

Der Titel der Ausstellung "Refine all Pores" kommt aus dem Make-up-Bereich, es geht darum die Oberfläche der Haut zu polieren und damit zu optimieren. Um Optimierung soll es denn auch in der Schau in der Wagenhalle gehen - auf ganz unterschiedliche Arten. Bernadette Wolbring etwa beschäftigt sich mit Messgeräten im medizinischen Bereich, die entwickelt werden, um Normen festzulegen und Abweichung von der Norm zu messen. Lisa Trogen Devgun aus Stockholm verwendet in ihrer Ausstellung modernes Verpackungsdesign wie High-Tech-Kisten und Container, die derartig optimiert sind, dass alle Abläufe reibungslos funktionieren. 

Vieles, was am Ende gezeigt wird, entsteht erst in der Woche vor der Eröffnung, wenn die Künstlerinnen und Künstler angereist sind und ihre Werke in den Räumen inszenieren. "Es wird sehr interessant, was sie aus dem Ort machen werden", sagt Lisa Biedlingmaier, die zwischen Zürich und Stuttgart pendelt. So eine Herangehensweise ist unkonventionell: "Wir wissen nicht genau, wie es am Ende aussehen wird, aber wir haben Vertrauen und lassen es einfach geschehen."

Ausstellung: von 8. bis 30. Juli, Öffnungszeiten sind Samstag 18–21 Uhr, Sonntag 15–17 Uhr und nach Vereinbarung (l.biedlingmaier@gmail.com), Kunstverein Wagenhalle e.V., Tor 4–6.