Der 95-jährige Modellflugbauer und Kalligraf Emil Diez zeigt seine Kreationen in einer Ausstellung. Schon als Kind hatte er sich Abfallholz und Kartonreste besorgt, um seine Vorstellungen von Luftvehikeln in die Tat umzusetzen.

Dettingen - Gelernt hat er Industrie- und Einzelhandelskaufmann – und beides war für den langjährigen Inhaber eines Lebensmittelgeschäfts in der Dettinger Ortsmitte (Kreis Esslingen) sicher von großem Nutzen. Aber die wahren Neigungen des nunmehr 95-jährigen Emil Diez zielten – und zielen immer noch – in eine ganz andere, nämlich kunsthandwerkliche bis künstlerische Richtung: den Flugzeugmodellbau und die Kalligrafie, die Kunst der Schönschrift. Beispiele aus beiden Bereichen sind jetzt in dem zur Galerie gewandelten früheren Ladengeschäft in der Kirchheimer Straße 85 zu bewundern.

 

Emil Diez wurde Segelflieger in den Reihen der Flieger-Hitlerjugend

Schon als Kind hatte sich Emil Diez Abfallholz und Kartonreste besorgt, um seine Vorstellungen von Luftvehikeln in die Tat umzusetzen. Die Nähe zur Teck spielte dabei auch später für den jungen Dettinger eine buchstäblich beflügelnde Rolle. Mit der Intensivierung des Segelflugs an dem markanten Zeugenberg nutzte in den 1930er Jahren insbesondere das NS-Regime die flugsportliche Begeisterung vieler Jugendlicher aus – um so gleichzeitig den Pilotennachwuchs für die Aufrüstungspolitik zu forcieren. Auch Emil Diez wurde Segelflieger in den Reihen der Flieger-Hitlerjugend.

Der Krieg verschlug den Dettinger dann als Angehörigen einer „Einheit für gelenkte Flugkörper“, deren Geheimwaffenarsenal freilich nicht mehr zum Einsatz gekommen sei, wie er sagt, bis nach Norwegen. Diez geriet in englische Kriegsgefangenschaft und kam in ein Lager in den Dithmarschen. Dort weckte der herabgefallene Ast einer Kastanie bei ihm wieder die alte Modellbauleidenschaft. Mit einem Taschenmesser schnitzte er aus dem Astholz eine Dornier Do 217 mit dem diffizilen Clou, dass sich die winzigen Propeller drehen lassen.

Auch Nachbauten von Segelfluglegenden sind ausgestellt

Diese Mini-Do hat in der Dettinger Ausstellung ebenso einen Ehrenplatz wie das während der Gefangenschaft entstandene Panzerschiff Graf Spee, bei dem natürlich der Aufklärungsflieger an Bord nicht fehlen darf. Nicht fehlen dürfen bei der Retrospektive auch zerbrechlich wirkende Flugmodelle Marke Eigenbau, bis hin zu vergleichsweise gewichtigen Nachbauten von Segelfluglegenden aus gut 80 Jahren. Erst vor drei Jahren hat Emil Diez das Modell „Hast“ nachgebaut, mit dem Harald Storbeck anno 1935 beim Rhön-Wettbewerb einen vorderen Platz geholt hat. Auch von der klassischen Graupner-Palette inspirierte Modelle sind gut vertreten. Ihr Erschaffer hat sie alle im Kopf, samt Entstehungsjahr und lufttechnischen Besonderheiten. Besonders stolz ist der Dettinger auf seinen Gleitflugrekord von 45 Minuten. Dabei verweist Diez auf die natürlichen Helfer der Flugbegeisterten: „Roter Milan und Bussard, das sind unsere Thermikanzeiger!“

Wegen der Zerstörungen im Flecken, dem Wiederaufbau und der Existenzsicherung wurde Emil Diez nach Kriegsende im elterlichen Geschäft gebraucht, ein Kunststudium war damit passé. Von der Kalligrafie wollte er freilich nicht lassen. Wenn andere in Alltagsschrift etwa Glückwünsche verfassen, so wird bei Emil Diez daraus jedes Mal ein kleines Kunstwerk. Und kommen ihm unbeschriebene Blätter in die Hände, so enden diese meist als reichlich geschmückte Papierschwalben.