Im Januar 1919 konnten Frauen in Württemberg erstmals wählen und gewählt werden. Eine Göppingerin schaffte es direkt in die Landesversammlung. Heute ist sie eine von zig Frauen, deren Lebensgeschichten eine Ausstellung im Göppinger Rathaus vorstellt.

Digital Desk: Lena Hummel (len)

Göppingen - Mathilde und Julius Brückner waren ein Paar auf Augenhöhe. In der Göppinger Oberhofenstraße betrieben sie ein Wasch- und Bügelgeschäft, sie lasen die selben Bücher und diskutierten darüber. Das Paar, das 1894 geheiratet und zwei gemeinsame Kinder hatte, vertrat die Auffassung, dass soziale Ungerechtigkeit bekämpft werden müsse. Julius Brückner hielt die politische Beteiligung von Frauen deshalb für unerlässlich. Seine Gattin war es schließlich, die im Januar 1919 als eine der ersten Frauen in die verfassungsgebende Landesversammlung gewählt wurde. 1922 zog sie als erste Frau in den Göppinger Gemeinderat ein. Heute ist Mathilde Brückner eine von zig Frauen, deren Lebensgeschichten Teil einer Ausstellung im Göppinger Rathaus sind.

 

Der Anlass der Ausstellung, die bis zum 31. Januar zu sehen ist, ist das 100-Jahr-Jubiläum des Frauenwahlrechts in Deutschland. Am 12. November 1918 trat das Frauenwahlrecht in Kraft, im Januar 1919 konnten Frauen in Württemberg erstmals wählen und gewählt werden. „Die Idee war es, Frauen vorzustellen, die in Göppingen ein politisches Amt übernommen haben“, sagt Anja Verena Schick, die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Göppingen und Initiatorin der Ausstellung. Und zwar von 1919 bis heute. Von Mathilde Brückner über die jetzigen Stadträtinnen bis hin zu den Frauen im Jugendgemeinderat. Die Göppinger Stadtführerinnen Claudia Liebenau-Meyer und Margit Haas haben dafür mit ehemaligen Stadträtinnen oder – im Falle ihres Todes – mit ihren Angehörigen gesprochen, ihre Lebenswege nachgezeichnet und die Motivation für ihre politische Beteiligung in der Stadt aufgearbeitet.

Mehr als ein Blick in die Vergangenheit

„Die aktuellen Stadträtinnen wurden eingeladen, sich zu beteiligen“, sagt Schick. Diejenigen, die Informationen über sich zur Verfügung gestellt hätten, seien schließlich ein Teil des Projekts „Frauen aufs Rathaus“ geworden. Die Idee zur Ausstellung war im Frühjahr 2017 geboren worden. Der Träger des Projekts ist die Staufen Arbeits- und Beschäftigungsförderung, auch das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ sowie die Frauen des Göppinger Jugendgemeinderats haben sich beteiligt. Besonders aktiv war Lea Horn, die gemeinsam mit den jetzigen Stadträtinnen deren politische Porträts verfasst hat.

Eines ist der Göppinger Gleichstellungsbeauftragten bei der Ausstellung besonders wichtig: „Das Projekt soll nicht nur einen Blick in die Vergangenheit, sondern auch in die Gegenwart und in die Zukunft werfen.“ Frauen sind bekanntlich auch noch 100 Jahre nach der Einführung des Frauenwahlrechts in Deutschland in politischen Ämtern unterrepräsentiert. Auch im Göppinger Gemeinderat ist mit einer Verteilung von 28 zu zwölf Sitzen noch nicht annähernd eine Zahlengleichheit von Männern und Frauen erreicht. Im Jugendgemeinderat sind dagegen 50 Prozent der Mitglieder weiblich.