Ausstellung in Herrenberg Was Städte gegen Klimawandel tun können

In knapp 20 Jahren soll sich die Zahl der Hitzetage in Baden-Württemberg verdoppeln. Massive Veränderungen sind dann die Folge. Eine kleine Ausstellung in Herrenberg zeigt, was jetzt wichtig wäre
Herrenberg - Es ist keine zwei Wochen her, da diskutierte man über gravierende Einschnitte im Alltag nicht unter dem Vorzeichen des Coronavirus, sondern dem des Klimawandels. Und auch wenn die Debatte im Moment von der medialen Agenda getilgt ist, sind die langfristigen Klimaprobleme bei Weitem nicht gelöst. „Wir brauchen so schnell wie möglich Antworten“, sagt Anika Junge, seit einem Jahr Klimamanagerin der Stadt Herrenberg. Sie ist überzeugt: Ohne ein Gegensteuern drohe kleineren Städten und Kommunen nicht nur eine finanzielle, sondern auch eine gesundheitliche Notlage. Was aber können Städte tun?
Eine kleine Ausstellung im Foyer der Herrenberger Volkshochschule will darauf antworten. Sechs große Plakate, Bilder und Erklärungen hat Anika Junge aufstellen lassen. Geschichten von Landwirten und anderen Bürgern zeigen die Auswirkungen des Klimawandels in Baden-Württemberg schon heute. Dazu gibt es allgemeine Informationen und wissenschaftliche Prognosen. Da ist die junge Försterin Christine Weinig, die über Trockenheit klagt und beobachtet, wie Weißtannen und Fichten im Wald verderben. Da ist Traudi Lorenz, die an Multipler Sklerose leidet und befürchtet, wegen der Hitze nicht am öffentlichen Stadtleben teilnehmen zu können, weil ihr die hohen Sommertemperaturen schon jetzt zusetzen.
Städte wollen Klimaneutralität
„Klimawandel heißt nicht nur schmelzende Polkappen in der Antarktis, sondern auch große Veränderungen im Leben bei uns“, sagt Anika Junge. Zahlen geben ihr Recht: Bis 2050 gehen Forscher davon aus, dass die Temperaturen im Ländle um etwa 1,1 Grad ansteigen. Die Anzahl der Sommertage, der Tage mit über 25 Grad, wird sich dann auf 40 verdoppeln; auch der Mittelwert von Tropentagen, also Temperaturen von über 30 Grad, wird von vier auf sieben steigen. Was das für Kommunen bedeutet, lassen die vergangenen Jahre nur erahnen: Schäden durch Extremwetter, gesundheitliche Belastungen bei Älteren und Kranken, Abnahme der Artenvielfalt und vieles mehr.
Als Klimamanagerin will Anika Junge andere für die Umwelt nicht nur sensibilisieren, sondern auch darüber diskutieren, was sich verändern muss. Vor wenigen Wochen hat die Stadt sich entschlossen, klimaneutral zu werden. Das könnte etwa bedeuten, den städtischen Verkehr zu reduzieren, Parkplätze in der Innenstadt zu begrenzen, öffentliche Gebäude mit Holz statt Beton zu bauen oder fast sämtliche Gebäude zu verdichten. Ob die Maßnahmen erst 2050 – wie in Stuttgart – oder schon ab 2030 – wie in Tübingen – greifen sollen, ist noch nicht klar. Derzeit wird auf Basis einer Bürgerbeteiligung austariert, zu welchen Kompromissen die Stadt bereit ist. Denn Veränderungen kosten und erzeugen Gegenstimmen.
Auch wichtig: Anpassung
Die andere Säule der Debatte ist neben der CO2-Reduktion die Anpassung der städtischen Infrastruktur an die Folgen des Klimawandels. Auch hier zeigt die Ausstellung, was Kommunen tun können: mehr Schattenplätze durch Bäume, Dachterrassen und Trinkbrunnen bauen, hitzeresistente Arten im Wald und in Stadtparks pflanzen. Besonders detailreich und neu sind die Ideen aber nicht – es dauert keine 15 Minuten bis man sämtliche Stände gesehen hat. Danach hat man zwar das Gefühl, in welche Richtung die Veränderungen gehen können. Aber eine Vorstellung, wie eine künftige klimaangepasste Stadt wie Herrenberg aussähe, bekommt man nicht.
Anika Junge will das dem Klimafahrplan überlassen, der erst entwickelt wird. Ideen, was man in der Stadt anders gestalten könnte, hat sie wohl. Bei einem Spaziergang im vergangenen Sommer stellte sie fest, wie es an einigen Orten der Stadt sehr heiß wird. Dort mehr Schattenplätze oder Trinkmöglichkeiten einzurichten, wäre vergleichbar einfach.
Wenn es nach ihr ginge, würde sie gerne den Großteil der Verwaltungsgebäude von außen begrünen. Das würde das Innenklima an heißen Tagen abkühlen. Aber auch solche Ideen müssten erst durch den Gemeinderat. „Wichtig ist, dass fast alle politisch Beteiligten die Klimaneutralität wollen“, sagt sie. Jetzt muss man nur noch Corona überstehen – dann kommt wieder das Klima an die Reihe.
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