Im Millennium-Dome in London ist die größte Elvis-Presley-Show eröffnet worden, die Europa je gesehen hat. Die Ausstellung zelebriert den Mythos vom King of Rock’n’Roll. Doch die interessantere Story verschweigt sie.

Korrespondenten: Peter Nonnenmacher (non)

Stuttgart - Der King gibt sich in London die Ehre. Zu Lebzeiten hatte es Elvis Presley es ja nie geschafft zu einem Auftritt in der Heimat der Stones und Beatles. Jetzt aber, im Jahr, in dem Elvis 80 geworden wäre, sucht man die Erinnerung an ihn in London mit großem Aufwand aufzufrischen. Nirgendwo sonst in Europa, sagt Priscilla Presley, habe man eine solche Show je zu sehen bekommen – und Presleys Ex-Ehefrau sollte es wissen. Sie war es ja, die 1977 nach dem frühen Tod des Rock-Idols den Familiensitz Graceland zu einer profitablen Gedenkstätte umfunktionierte. Die Schulden, die Presley angehäuft hatte, machten diesen Schritt notwendig. Seither erlebt Graceland, Tennessee einen endlosen Besucherstrom.

 

Mittlerweile aber glauben Priscilla und Tochter Lisa Marie, dem drohenden Verblassen des Presley-Ruhms mit einer neuen Initiative vorbeugen zu sollen. Die „Elvis at the O2“-Ausstellung, die gerade in der Museumsnische unter dem Zeltdach der gigantischen Londoner Sport- und Konzerthalle Millennium Dome eröffnet wurde, ist solch ein entschlossener Wiederbelebungsversuch. Rund 300 Devotionalien hat man aus Memphis nach London gekarrt. 20 Pfund (rund 25 Euro) zahlt man für den etwa zweistündigen Rundgang.

Ein Querschnitt aus Musik und Erinnerungsstücken

Geboten wird ein Querschnitt aus Musik und Memorabilien, verrückten Kleidungsstücken und allerlei Eigentümlichem aus dem Elvis-Privatbesitz. Vom Geldbeutel und den Kreditkarten des Sängers übers vergoldete Telefon auf seinem Nachttisch in Memphis bis hin zum knallroten 1960 MG Roadster aus dem Film „Blue Hawaii“ spannt sich der Bogen. Auch der rosa Cadillac Fleetwood ist da, den Elvis seiner Mutter schenkte.

„That’s alright, Mama“, die erste Erfolgsplatte, ist gleich zu Beginn der Ausstellung in Endlosschleife zu hören. Souvenirs gibt es bereits aus den Anfangstagen, mit denen Manager „Colonel“ Tom Parker den keimenden Ruhm clever vermarktet hat. Persönliche Besitzstücke sind ausgestellt, von Elvis’ 16-karätigem Diamantring und seinen überkandidelten Hochzeits-Manschettenknöpfen bis hin zum Billardtisch aus Graceland, an dem er, wie Priscilla beteuert, eine Partie mit den Beatles spielte.

Der bitterarme Junge wird zum Weltstar

Acht kopflose Gliederpuppen tragen einige der berühmten Jumpsuits zur Schau, mit denen Elvis bei seinen Auftritten Aufsehen erregte. Filmclips illustrieren die „Elvis-Mania“ in der Kindheit der Fernsehentertainment-Ära. Andere zeigen bloß den katastrophalen Geschmack, mit dem Presley Möbel zusammen kaufte und seinen Privatpalast mit Kitsch füllte bis obenan. Auch Armee-Stiefel und Armee-Mantel sind zu besichtigen, sowie der angeblich originale Friseursessel, auf dem man ihm, wie von einer Fernsehcrew festgehalten, seinen Armee-Haarschnitt verpasste.

Im Grunde erhellt „Elvis at the O2“ sehr präzise, wie der einst bitterarme Junge aus Tupelo, Mississippi, zum umjubelten, schwerreichen Weltstar wurde, der sich nach und nach „etwas leisten“ konnte und dem am Ende nichts wichtiger war, als sich mit protzigen Statussymbolen einzudecken. Die Show an der Themse lädt zum Mitträumen ein.

Vom Scheitern spricht die Elvis-Schau nicht

Wohin Elvis’ Traum aber führte, wie er zerstörerische Wirkung entfaltet, in Exzessen endet und zum Schluss den Träumer unter sich begräbt, darüber schweigt die Ausstellung leider. Von den Drogenjahren und Depressionen, vom aufgeblähten Elend am Ende ist nicht die Rede. Zeugnisse aus jener Spätzeit, wie Drogen-Rezepte oder die sich stetig weitenden Jumpsuits, blieben draußen. Dabei wäre das eigentlich die interessantere Story gewesen.

Statt weiter am offiziellen Mythos zu stricken und einzelne Objekte in den Rang von Reliquien zu erheben, hätte man die Unterwürfigkeit gegenüber Elvis aufsprengen können, um zum Kern dieser Geschichte vorzustoßen. Der Londoner Kritiker Neil McCormick sagt: „Man kann ihn als tragische Figur sehen. Als ein vergeudetes Talent, dessen Aufstieg und Fall die zerstörerische Macht dieses amerikanischen Traums illustriert.“

Der Elvis-Traum muss intakt bleiben

Aber das hätten Priscilla Presley und die kommerziellen Interessen hinter der Ausstellung wohl kaum zulassen können. Sie brauchen den Elvis-Traum intakt – mit bunten Hawaii-Hemden, kostbarem Geschmeide, Steinlöwen vor dem Haus, einem Familienalbum und jeder Menge Presley-Büsten. Die Ausstellung ist noch bis zum 31. August zu sehen.