80 Jahre nach dem Ende der NS-Terrorherrschaft zeigt das Staatsarchiv Ludwigsburg eine Ausstellung über Gewerkschafter im KZ.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Quasi doppelt aktuell sei die Ausstellung über Gewerkschafter in Konzentrationslagern (KZ), die am Mittwochabend in Ludwigsburg eröffnet wird, sagt der Leiter des Staatsarchivs am Arsenalplatz, Peter Müller, bei einem Vorab-Rundgang. Es sei – erstens – ziemlich genau 80 Jahr her, dass die nationalsozialistische Terrorherrschaft und damit „die Leidenszeit“ für viele inhaftierte Frauen und Männer zu Ende ging. Die Ausstellung mit dem Titel „Seid wachsam, dass über Deutschland nie wieder die Nacht hereinbricht“ (Zitat eines Gewerkschafters) komme – zweitens – ganz genau zur richtigen Zeit, erklärt Müller weiter. Denn rechtsextreme Parteien und Gruppierungen hätten wieder Zulauf, der Hass gegen Andersdenkende nehme immer stärker zu. In Deutschland und in Europa.

 

Die Wanderausstellung der Gedenkstätte und des Museums Sachsenhausen (Brandenburg) zeichnet das Schicksal von 16 Gewerkschaftsmitgliedern in der zeit von 1933 bis 1945 nach. Der Umfang des gewerkschaftlichen Widerstands werde bis heute „selbst in Gewerkschaftskreisen deutlich unterschätzt“, hieß es in dem Flyer zur Ausstellung. Das Staatsarchiv Ludwigsburg und der Förderverein Zentrale Stelle Ludwigsburg haben die Ausstellung, die seit einigen Jahren durch die Republik tourt, um sechs Lebensläufe von Gewerkschaftern aus dem Raum Stuttgart ergänzt.

Erzählt wird nun beispielsweise die Geschichte von Eugen Ochs, der als Kind eines Arbeiters aus Stuttgart 1905 geboren wurde. Als junger Mann engagierte sich Ochs im Deutschen Metallarbeiterverband, als Betriebsrat und im Kommunistischen Jugendverband. Nach der Machtergreifung des Nazis 1933 und dem Verbot der KPD fungierte er als Kurier zur Auslandsleitung der Partei. 1934 wurde Ochs verhaftet und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Nach vier Jahren im Zuchthaus Ludwigsburg wurde er als sogenannter Schutzhäftling in das KZ Welzheim (Rems-Murr-Kreis) gebracht. Später war Ochs dann in Dachau und in Buchenwald interniert, wo er sich laut den Recherchen des Ausstellungsmachers im Lagerwiderstand engagierte und den Kontakt zu anderen inhaftierten Gewerkschaftern suchte. Ochs überlebte, nach 1945 beteiligte er sich am Aufbau der Metallarbeiter-Gewerkschaft in Stuttgart, später an der Gründung der Ortsverwaltung der IG Metall in Ludwigsburg. 1984 veröffentlichte Ochs seine Erinnerungen an die NS-Zeit, er starb 1990 in Ludwigsburg.

Der bundesweit bekannteste Gewerkschafter aus der Region Stuttgart, der in der Ausstellung gewürdigt wird, ist Willi Bleicher. Er wurde 1945 während eines Todesmarsches von den Amerikanern befreit. Bleicher konnte in der 1960er und 1970er-Jahren als IG-Metall-Mann mit zwei große Streiks satte Tariferhöhungen durchsetzen.

Heinrich Talmon Groß aus Neuhengstett und Theodor Decker aus Stuttgart indes überlebten die NS-Terrorjahre nicht. Groß starb im Februar 1945 im KZ Dachau an den Folgen der Haft, in seiner Sterbeurkunde wurde indes angegeben, er sei im Krankenhaus einem Magen-/Darminfekt erlegen. Decker verstarb 1940 im KZ Mauthausen.

Ingrid Hönlinger vom Förderverein Zentrale Stelle sagt bei dem Pressetermin kurz vor der Eröffnung, die Ausstellung zeige „gute Dokumente gegen Fake News“.

Rund um die Ausstellung

Eröffnung
Die Ausstellung „Seid wachsam, dass über Deutschland nie wieder die Nacht hereinbricht“ im Staatsarchiv, Arsenalplatz 3 in Ludwigsburg, wird am Mittwoch, 30. April, um 18 Uhr eröffnet.

Begleitprogramm
Bei einem Vortrag am 13. Mai geht es speziell um Eugen Ochs. Am 3. Juni spricht der Historiker Götz Aly über „Die Mär von der Zerschlagung der Gewerkschaften am 2. Mail 1933“. Am 22. Juli geht es um Liselotte „Lilo“ Herrmann, eine junge Stuttgarterin im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Diese drei Veranstaltungen beginnen um 19 Uhr.