Die Ausstellung „Très chic“ im Ludwigsburger Kunstverein fragt, wo die Mode endet und die Kunst beginnt. Die Kuratorin Corina Gertz fühlt sich in beiden Welten zu Hause – und gibt ungewöhnliche Einblicke.

Ludwigsburg - Ist das noch Mode oder vielleicht doch schon Kunst? Daran, dass Modelabels eigene Galerien errichten und mit Kunstwerken bestücken wie Louis Vuitton mit der Fondation in Paris, oder dass Haute-Couture-Schauen von Karl Lagerfeld wie Kunstereignisse zelebriert wurden, hat man sich gewöhnt. Corina Gertz hat jetzt den Akzent etwas verschoben: Die Düsseldorferin zeigt beim Ludwigsburger Kunstverein Bilder und Objekte, die das Thema Mode aufgreifen. Der Name der Ausstellung: „Très chic“.

 

Die Kuratorin interessiert sich für die Schnittstellen, an denen Kunst und Mode aufeinandertreffen – und das nicht erst seit sie den Auftrag für die Ausstellung im Ludwigsburger MIK bekommen hat. Sie hat sich gewissermaßen von klein auf in dieser Zone bewegt: „Ich bin in der Textilstadt Wuppertal geboren, und in meiner Familie waren alle Weber, also habe ich zunächst eine Ausbildung zur Schneiderin gemacht“, sagt Gertz. Den ersten Schritt in Richtung Kunst unternimmt sie, als sie nach der Lehre Modedesign studiert.

Nonverbale Kommunikation

Auch auf großen Reisen nach Südafrika, Brasilien oder China interessiert sie sich für Mode – genauer: „für die nonverbale Sprache der Mode“. In den meisten Fällen sind es die Zeichen und Symbole, in denen sich Tradition und Folklore zu Wort melden. Gertz’ Medium ist die Kamera, mit der sie Menschen in Gewändern fotografiert.

„Inzwischen ist das bei mir seriell geworden“, sagt sie. Und ihr Fokus immer spezifischer, darf man ergänzen. Gertz, die heute vor allem als Fotografin und Kuratorin arbeitet, hat diese wortlose Sprache nicht nur auf allen Kontinenten gefunden, sie hat zum Beispiel auf Sardinien festgestellt, wie enorm vielfältig die Mittelungen sind: „In jedem Dorf gibt es einen anderen Code.“ Für diese Erkenntnis hätte sie nicht unbedingt in die Ferne reisen müssen. Vor zwei Jahren hat die Künstlerin in der Städtischen Galerie Bietigheim-Bissingen Fotoserien ausgestellt, auf denen Frauen mit Trachten aus Hessen zu sehen waren – und zwar von hinten.

„Abgewandte Porträts“

Die Fotografin spricht von „abgewandten Porträts“ – sie sind zu ihrem Markenzeichen geworden. „Wenn man ein Gesicht sieht, beginnt man sofort zu urteilen. Das wollte ich nicht“, sagt Gertz. „Ich wolle, dass die Betrachter auf die Stofflichkeit der Kleidung schauen.“

In Sachen Stofflichkeit wartet die „Très chic“-Ausstellung allerdings auch mit handfesten Überraschungen auf: Kleider, die unter Strom stehen; Mülltonnen, die in Regenmäntel gehüllt sind; Hauben aus schlichtem Papier oder Handtaschen, die in Beton gegossen wurden. „Die Mode kann schon auch ein Klotz am Bein sein“, meint Gertz. Auch das wolle sie mit dieser Ausstellung zeigen. Die Anregung dazu kam von Isabel Jägle, die zurzeit beim Kunstverein für das künstlerische Programm verantwortlich ist. Gertz musste nicht lange suchen: „Ich lebe in Düsseldorf und kenne viele Leute aus der Mode und der Kunst. Sie für die Ausstellung zu gewinnen, war nicht schwierig.“

Die Ausstellung „Très chic“ ist bis 27. Juni 2019 im MIK, Eberhardstraße 1, zu sehen. Geöffnet ist jeweils dienstags bis sonntags von 11 Uhr bis 18 Uhr und donnerstags von 11 Uhr bis 21 Uhr.