Vor 200 Jahren wurde Richard Wagner in Leipzig geboren, vor 130 Jahren starb er in Venedig. Im Studio 57A der Galerie Abtart feiert Ottmar Hörl das Wagner-Jahr auf seine eigene Weise.

Stuttgart-Möhringen - Vor 200 Jahren wurde Richard Wagner in Leipzig geboren, vor 130 Jahren starb er in Venedig. Allerorten wird das Operngenie gefeiert. Ottmar Hörl zum Beispiel hat spektakulär die Wagner-Stadt Bayreuth mit 500 gartenzwergartigen farbigen Figuren des dirigierenden Komponisten förmlich zugepflastert: „Wagner dirigiert Bayreuth“. Im Studio 57A der Möhringer Galerie Abtart zeigt der Wertheimer Konzeptkünstler noch knapp zwei Wochen lang seine Doppel-Installation „Wagner für das 21. Jahrhundert“.

 

Skandale können berühmt machen. Ottmar Hörls ironische Gartenzwerge, die ihre Rechte zum Hitlergruß reckten, hat die Nürnberger Staatsanwaltschaft trotz verbotener Nazi-Symbolik 2009 der Freiheit der Kunst zugerechnet. Gerade erst sorgten Ottmar Hörls knallrote Karl-Marx-Figuren vor der römischen Porta Nigra in dessen Geburtsstadt Trier wieder für Aufsehen. Wie einst sein grünes „Großes Hasenstück“ in der Dürer-Stadt Nürnberg, das wortverspielt und visuell zwei besonders populäre Werke des Renaissance-Künstlers feierte.

Ein Rudel schwarzer Hunde

Richard Wagner, Genie, Scheusal und Antisemit – auf eine Fläche von drei Metern Durchmesser hat der Konzeptkünstler schwarze Köpfe des Komponisten auf Säulen gestellt, die sich um sich selber drehen. Nebenan, aber doch als ruhenden Pol im Zentrum, steht auf einer gleichartigen Stele, gleich groß, aber in marmorhaften Elfenbein-Weiß die Büste von Franz Liszt, dem Kollegen, und Förderer, dem Freund und Schwiegervater. „Liszt schaut dem rotierenden Wagner zu“, so beschreibt Ottmar Hörl seine Szenerie ironisch knapp.

Dazu hat Hörl, Professor und Präsident der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg, noch ein Rudel schwarzer Hunde gesetzt. Wie Wächter wirken die naturalistischen Neufundländer, die zu den Lieblingshunden des Tierfreunds Richard Wagner gehörten. Schon bei seiner Bayreuther Festspiel-Aktion 2004 in der Stadt und ihrem Museum wollte Hörl damit auch auf die menschlich-freundliche Seite des Unsympathen Wagner hinweisen.

Wagners Idee von der unendlichen Melodie

Ottmar Hörl, Kenner und Verehrer von Wagners Musik, hat den epochalen Komponisten und Musikdramatiker immer wieder vor einem zu einseitigen Bild als Antisemit und Hitler-Inspirator zu bewahren versucht. Selbst Wagners Pamphlet „Das Judenthum in der Musik“ sieht Hörl mehr vom Neid des noch unentdeckten Genies auf seine europaweit besser vernetzten, erfolgreicheren jüdischen Kollegen – vor allem den im tiefsten Musikerherzen bewunderten Felix Mendelssohn Bartholdy - als vom Rassenwahn geprägt. Die schlimmsten rassischen Antisemiten im Umfeld Wagners, sagt er, seien sowieso seine Frauen: die Gattin und Liszt-Tochter Cosima Wagner und seine englische Schwiegertochter Winifred Wagner, die notorische Hitler-Freundin.

Der Klang um Ottmar Hörls Installation hat nichts mit Wagners Tönen und Themen und seinen charakterisierenden Leitmotiven zu tun. Es sind Aufnahmen des vor sich hin summenden Künstlers bei einer Bootsfahrt. Aber natürlich rufen sie Richard Wagners Idee von der unendlichen Melodie herauf und deuten leise den Prozess der Entstehung von Musik an.