Einst Metzgerei, heute Atelier: Markus Gehrig hat in der Nordbahnhofstraße eine Werkstatt eingerichtet.

S-Nord - Der Ballast der vergangenen Jahre ist von den Wänden gekratzt. Containerweise hat Markus Gehrig den Dreck, Fliesen und Reste der abgehängten Decke nach draußen geschafft. Jetzt, nach beinahe zwei Jahren Arbeit, erinnert kaum mehr etwas an die wechselvolle Vergangenheit der Räumlichkeiten. Die Wände sind kahl und weiß, die Rippendecke ist grau. An den Wänden stapeln sich Fotos in Bilderrahmen, die noch an die Wand gehängt werden müssen für die Ausstellung, die eröffnet werden soll. Viel Arbeit hat Gehrig in seine Galerie gesteckt, die er „77 Gare du Nord“ genannt hat, und die mehr Werkstatt als Ausstellungsraum ist.

 

Galerien und Ateliers sind vielleicht keine Besonderheit in einem Bezirk, in dem Künstler in Waggons, in den Wagenhallen und ein Wolfgang Seitz agieren, doch so prominent hat sich dort bisher kaum einer eingenistet. Gehrig arbeitet hinter einem großen Schaufenster, direkt an der Straße, an der die U-Bahnlinie 15 entlang fährt. Alteingesessene aus dem Bezirk kennen die Hausnummer 77 als Metzgerei, die bis in die 1960er Jahre dort ihre Ladenfläche hatte. Danach wurde der Raum als Obst- und Gemüse-Laden oder als Dönerbude genutzt. Gehrig fand mehrere Lagen Fliesen an den Wänden vor, ein Fenster war dicht gemacht, die Decke abgehängt. „Da war viel Vorstellungskraft nötig, wie es mal aussehen kann“, sagt er. Auch war es ein Risiko, an diesem Ort ein Atelier und eine Werkstatt zu eröffnen. „Es war nicht klar, ob ich Akzeptanz finden werde“, sagt er. Doch er ist zufrieden nach den ersten Monaten am Standort. Anwohner und Passanten seien eher neugierig als irritiert. Häufig blieben Fußgänger stehen. Viele hätten sich über die Veränderung gefreut.

„Meine Arbeit bestand zu 80 Prozent nur noch aus Bürokratie“

Unterstützt wird Gehrig von Jim Zimmermann. Wie Gehrig kommt er aus der Architektur. 2005 hat er seinen Beruf an den Nagel gehängt. Heute ist er Fotograf und macht damit genau das, was ihm Spaß macht. „Meine Arbeit bestand zu 80 Prozent nur noch aus Bürokratie“, sagt Zimmermann. Das war auch der Grund, weshalb Markus Gehrig schon während seines Studiums angefangen hat, mit Stahl zu arbeiten, Skulpturen zu entwerfen und zu bauen. Der freie Architekt widmet sich heute fast ausschließlich der Bildhauerei, mit der er vor allem in der Schweiz und in Österreich sehr erfolgreich ist. Im Gebäude sind die beiden nicht die einzigen Künstler. Über den Hinterhof gelangt man in das Atelier von Hannes Trüjen, der mit seinem Malereiprojekt Painting Placement Farbgestaltungen entwickelt.

Zwar ist der Raum zuallererst Werkstatt für Gehrig. Doch gleichzeitig ist geplant, dort in Zukunft auch Lesungen und andere Veranstaltungen zu organisieren. Jetzt schon wird das Atelier als Treffpunkt der Architekten-Gruppe Ligne et Couleur genutzt, zu der auch Gehrig und Zimmermann gehören. Am Freitagabend eröffnet die Ausstellung „Schau mir ins Auge, Kleines“, die Arbeiten der Künstlergruppe Bildgrund11 zeigt.

SCHAU MIR INS AUGE, KLEINES

Ausstellung
Die Künstlergruppe Bildgrund11, zu der auch Jim Zimmermann gehört, eröffnet am Freitag, 2. November, von 20 Uhr an die Ausstellung „Schau mir ins Kleine, Auge“ in der Galerie 77 Gare du Nord, Nordbahnhofstraße 77. Zu sehen sind dort Porträts, Erotisches und Skurriles in kleinen Formaten. Die Künstler wollen damit einen Akzent gegen den Trend zu Großformaten setzen. Showdown ist am 30. November von 20 Uhr an. Die Ausstellung hat donnerstags von 18 bis 21 Uhr geöffnet. Weitere Infos unter www.77garedunord.de