Auf der Bühne werden sie von allen angehimmelt – aber wie sind Stars eigentlich privat? Ex-Bravo-Mitarbeiter Joachim Penno hat mit den Backstreet Boys, Britney Spears und den Rolling Stones so einiges erlebt – ihre Memorabilia stellt er nun aus.

Stuttgart - Keith Richards ist ein schräger Vogel. So viel war schon vorher klar. Da passt es nur allzu gut ins Bild, dass der Rolling Stones-Gitarrist während der „Voodoo Lounge“-Tour 1994/1995 darauf bestand, dass Backstage jeder seinem Schamanenstab huldigt. „Sonst durfte man nicht vorbei – kein Scherz“, sagt Joachim Penno. Der Mann mit den raspelkurzen grauen Haaren weiß das nicht, weil er es im Internet auf der Seite einer Klatschgazette gelesen hat, sondern weil er dabei war. In der Calwer Passage in Stuttgart stellt er Memorabilia unter dem Namen „Schwabenarts“ aus.

 

Insgesamt knapp 30 Jahre lang hat der 46-Jährige gebürtige Böblinger mit Stars und Sternchen verbracht – den größten Teil seines Lebens also. Er hat als freier Mitarbeiter lange für die Bravo und die BMG gearbeitet und war für die Künstler alles, was gerade benötigt wurde: Fahrer, Leibwächter, genereller Betreuer, auch mal Roadie. Die Stars lernte er dabei hautnah kennen. Fast jeden, der in der Mainstream-Pop- und Rock-Kultur unterwegs war, hat er getroffen. Mit den Backstreet Boys war er ein ganzes Jahr lang unterwegs, er war bei ihnen zuhause und hat AJ 100 Mark für die Restaurant-Rechnung beim Jugoslawen in Stuttgart geliehen.

Bei George Lucas auf der Couch

Penno hat Britney Spears herumkutschiert, war mit Queen unterwegs (seinen persönlichen musikalischen Helden), hat mit N’Sync auf der Ranch von George Lucas „Das Imperium schlägt zurück“ geschaut. Helge Schneider („sehr intelligent“) hat für Penno im Auto auf dessen Wunsch hin schnell ein Männlein mit Knollnase gemalt, mit Red Hot Chili Peppers-Sänger Anthony Kiedis („sehr nett“) war er mal spazieren. Penno war bei Künstler H. R. Giger zuhause in der Schweiz („total abgedreht“), da ging es um die Alien-Filme. Kurzum: Er hat so einiges erlebt – und die Stars zum Teil von einer privaten Seite, die anders ist als die, die man aus der Öffentlichkeit zu kennen meint.

Freddie Mercury zum Beispiel: Auf der Bühne, sagt Penno, sei der Queen-Sänger Vollprofi gewesen, „so nach dem Motto: Hier kann mir keiner was.“ Nur im Privatleben, „da war der so klein mit Hut“. Großzügig sei Mercury gewesen, und schüchtern. Auf der Straße hätte man ihn wohl kaum erkannt, so sehr habe er das Entertainer-Image abgelegt, sobald er hinter der Bühne verschwand. Diese Fähigkeit, von einer Sekunde auf die nächste „umzuswitchen“ auf ein professionelles Image, haben viele Musiker gemein, sagt Penno. Kein Wunder: Es ist sehr hilfreich, will man wirklich erfolgreich sein. „Daran merkt man sehr früh: Der wird mal was werden, und der eher nicht“, erklärt Penno. Nick Carter von den Backstreet Boys zum Beispiel, der habe das gekonnt. Oder Mario Barth, der auf Knopfdruck lachen kann, als hätte er gerade den lustigsten Witz seines Lebens gehört.

Die nicht vorhandene Nase von Michael Jackson

Joachim Penno hat Dinge erlebt, die andere lieber nicht in der Öffentlichkeit breitgetreten sehen möchten. Einige der Geschichten, die er zu erzählen hat – und es sind viel, „ich könnte noch acht Wochen weitererzählen“ – müssen privat bleiben. Anderes ist schon bekannt: Dass die Bloodhound Gang sehr anstrengend ist, „eine Woche mit denen reicht“, sagt Penno und lacht. Auch die eine oder andere Pop-Diva sei im täglichen Umgang nicht so leicht zu ertragen, galant ausgedrückt. Bekannt ist auch, dass Michael Jackson eine Nasenprothese trug, die allerdings die darunter liegende Haut reizte, was dem Sänger zu schaffen machte. „Tatsächlich war an der Stelle seiner Nase nur noch ein Stummel“, sagt Penno. Er hat den King of Pop nur kurz getroffen und ihn als eher scheu erlebt.

Manches weiß vielleicht nicht jeder. Dass Aerosmith-Sänger Steven Tyler eine ziemlich starke Sehschwäche hat zum Beispiel. „Der ist so gut wie blind“, sagt Penno. Bloß: Zum Tragen einer Brille ist Tyler zu eitel. Da ist man auf die Hilfe von Freunden angewiesen, weshalb Gitarrist Joe Perry am Hotelbuffet daneben steht und erklärt, was gerade im Angebot ist.

Die Schattenseiten des Ruhms: Geldgier und Drogen

Penno hat auch die Schattenseiten des Ruhms erlebt. Wie Stars von ihren Managern über den Tisch gezogen wurden und am Ende einer langen, anstrengenden Tour nicht wussten, wo ihr Geld geblieben ist. Oder die Künstler, die aufgebauscht wurden bis zum Gehtnichtmehr, bis sie keinen Bezug zur Wirklichkeit mehr hatten. Es gibt dann nur noch Tour und Geldverdienen. Vielen bekannten Popsternchen sei es so ergangen. Penno sagt, sie wurden verheizt.

Penno hat auch die Bands erlebt, die sich für die Allergrößten halten. Viele Künstler schwimmen dermaßen im Geld, dass sie Wege finden müssen, bloß nicht zu viele Steuern dafür abzudrücken. „Ich war oft mit den Backstreet Boys mit Delfinen schwimmen, einmal haben wir auch Kinder dazu eingeladen“, erzählt Penno. Ebenfalls beliebt: Helikopterflüge über den Rocky Mountains.

Taxi? Wozu gibt’s denn Helikopter?

Vieles ist dann auch nur noch Verprassen. Etwa, als Penno plötzlich beim Audi-Händler anhalten sollte, damit mal eben der neue R8 Spyder gekauft werden konnte. Oder wenn man zwar ein Taxi nehmen könnte, aber ein Helikopter bestellt wird. Man hat es ja. „In den 80ern war auch immer jemand mit einem Geldkoffer dabei“, erzählt Penno. Meist seien 250.000 Mark in dem Koffer gewesen. „Kreditkarten gab es ja damals noch nicht“ – für die alltäglichen Ausgaben, natürlich auch Drogen, brauchte man eben Cash.

Sowieso, der Rausch, er war nach Ansicht von Penno damals wie heute ein konstanter Begleiter der Stars. Nur das „was“ hat sich geändert: Heute konsumiere man eher Wodka als Whiskey, eher Koks als Heroin. Die Backstage-Pässe von Queen waren während einer Tour nicht umsonst aus Metall – damit konnte man die besseren Lines ziehen.

Nicht zuletzt hat Penno die Erfahrung gemacht, dass Stars eben auch nur Menschen sind. „Die meisten sind sogar sehr nett“, sagt der Böblinger, „nur das Drumherum ist manchmal schlimm“. Das Drumherum, damit meint er die Maschinerie, die das Showbusiness ist. Und er hat gelernt: Stars darf man bloß nicht anhimmeln, wenn man mit ihnen auf professioneller Ebene zu tun hat. „Ich habe alle immer auf Augenhöhe behandelt“, erklärt Penno. Die persönlichen Bindungen, die gerade bei einer längeren Zusammenarbeit durchaus entstanden sind, endeten immer mit der Tour. Danach hatte man im besten Fall noch ein freundliches Kopfnicken füreinander übrig, wenn man sich doch mal wieder traf.

Auch das Leben mit den Stars wird Alltag

Viele seiner damaligen Freunde beneideten Penno für sein vermeintlich glamoröses Leben mit den Stars, „aber es wird eben auch Alltag“. Penno hat seine Arbeit immer gemacht, weil sie ihm Spaß macht, „nicht nur wegen des Geldes“. Seine Eltern, erzählt er, wollten, dass er KfZ-Mechaniker wird, aber Penno zog die Unsicherheit vor, dem nachzugehen, was ihn wirklich reizt. Mit seiner Tätigkeit hatte er auch Glück, die richtigen Leute kennen zu lernen. Mindestens genauso wichtig war aber auch, sich einen Namen zu machen, gute Arbeit zu leisten – damit die Künstler später wieder an einen denken, wenn sie in Deutschland sind.

Mit seinen Sammelstücken will Penno nun dazu beitragen, dem Memorabilia-Markt in Deutschland zu größerer Bedeutung zu verhelfen. „In den USA gibt es solche Shops in jeder Mall“, erzählt er, hierzulande werde stattdessen viel Schund bei Ebay verkauft – gefakte Autogramme und dergleichen. Bei Penno ist alles echt – die Unterschrift auf der Gitarre von Peter Maffay, die Zeichnung von Moby auf einem Schlagzeugfell und von Till Lindemann, dem Rammstein-Sänger. Es gibt auch Schecks, die als Zahlungsmittel zwar längst überholt sind, aber gute Belege für das, was die Stars damals gemacht haben. „Ich hatte auch mal einen Scheck für den Psychologen von Carrie Fisher“, besser bekannt als Prinzessin Leia aus Star Wars, erzählt Penno. Es gibt natürlich auch goldene Schallplatten, etwa von den Rolling Stones. Die „Schwabenarts“-Galerie respektive der Verkauf soll nun fester Bestandteil in der Calwer Passage sein. Montags bis freitags ist sie von 10 bis 19, samstags von 10 bis 17 Uhr geöffnet.