Acht junge Männer aus Syrien und Afghanistan, die teils in Leinfelden-Echterdingen leben, dokumentierten mit der Einwegkamera ihre Eindrücke von Deutschland. Die Ausstellung in Stuttgart-Hohenheim wird am 6. Februar eröffnet.

Filder - Wer aus einem fremden Land nach Deutschland kommt, lernt Alltagsgegenstände, technische Einrichtungen oder Sitten kennen, über die sich die Einheimischen schon lange nicht mehr wundern. Ilonka Czerny, an der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart für den Bereich Kunst zuständig, wollte wissen, worüber die in Deutschland gestrandeten Flüchtlinge staunen. Sie organisierte Einwegkameras und schickte acht Männer aus Syrien und Afghanistan los, um das Leben in Deutschland aus ihrer Sicht zu dokumentieren. Am Montag, 6. Februar, um 19.30 Uhr wird im Tagungszentrum an der Paracelsusstraße die Ausstellung „Außenblicke“ eröffnet, die eine Auswahl der so entstandenen Fotos zeigt.

 

Einer der Teilnehmer ist Yaser Alali. Der 31-jährige Syrer ist Philosophie-Lehrer und lebt seit etwa zwei Jahren in Deutschland. Seit März lernt er bei der Volkshochschule in Leinfelden-Echterdingen Deutsch. Seine Sprachkenntnisse sind schon recht gut, auch wenn er sich mit dem Schwäbischen noch recht schwertut. Sein Kollege Mageed Sbagah, ebenfalls Syrer, ist 27 Jahre alt und hat in seiner Heimat Hocharabisch gelehrt.

Gelächter gibt es beim Foto eines Tütenspenders für Hundekot

Die beiden nehmen an einem Projekt der katholischen Kirchengemeinde in Leinfelden teil. Zweimal in der Woche treffen sie sich nachmittags mit ehrenamtlichen Helfern, um ihr Deutsch in der Praxis zu trainieren. Aus dieser Gruppe hat Kuratorin Ilonka Czerny die Teilnehmer des Fotoprojekts rekrutiert.

Zur Veranschaulichung hat sie den Interessenten im vergangenen November ein Foto mitgebracht, das ein Kehrwochenschild zeigt. Zwei Wochen lang fotografierten die Männer also alles, was ihnen an Deutschland fremd oder seltsam vorkam. Für Yaser Alali war es unter anderem die Postbotin, die in seiner Nachbarschaft mit dem Fahrrad unterwegs war. Eine Post gibt es in Syrien nicht, alles wird per Telefon oder persönlich geregelt. Und Fahrrad fahren in seiner Heimat nur die Kinder.

Ein Großteil der Fotos bezieht sich auf technische Themen oder den Straßenverkehr. „Männerherzen schlagen weltweit höher bei Porsche und Mercedes“, sagt die Kuratorin amüsiert. Was die Flüchtlinge vor allem fotografierten, waren neben den S- und U-Bahnen Stromkästen für Elektro-Autos und Pfandflaschencontainer. Besonderes Gelächter ruft das Foto eines Tütenspenders für Hundekot hervor: In Syrien, so berichten die beiden, gibt es nur frei herumstreunende Hunde.

Das Klischee vom sauberen und ordentlichen Deutschland

Nicht wenige der Bilder verweisen wie dieses auf das Klischee vom sauberen und ordentlichen Deutschland: Altkleidercontainer, Müllbehälter, Schilder, auf denen steht „Bitte die Tür schließen“ (wobei in diesem Fall die Gartenpforte des Kleingartens sperrangelweit offen stand). „Mülltrennung finden die beiden gut“, hat Ilonka Czerny herausgefunden. Alle Teilnehmer haben jedoch besonders gestaunt über die Vielfalt der Warenwelt. Ihre Bilder zeigen volle Einkaufswagen, die vielen Brotsorten einer Bäckerei, einen Zigarettenautomaten, Alkoholika. „Die Auswahl spiegelt unseren Wohlstand und unsere Wohlfühl-Gesellschaft“, findet die Kuratorin.

Die Bilder sind mehr als Schnappschüsse, sie eröffnen einen neuen Blick auf die Gesellschaft. Technisch sind die analogen Fotos nicht brillant, durch die Grobkörnung wirken sie eher malerisch. Aber sie sind eine gute Gelegenheit, um mit den Ankömmlingen ins Gespräch zu kommen.

Die Ausstellung „Außenblicke. Flüchtlinge fotografieren ihre deutsche Umgebung“ im Tagungszentrum Hohenheim der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Paracelsusstraße 91, wird am Montag, 6. Februar, um 19.30 Uhr eröffnet. Die Vernissage wird musikalisch von der Mezzosopranistin Cornelia Lanz und dem Gitarristen Mazen Mohsen umrahmt. Die Fotos sind bis zum 30. Juli werktags von 9 bis 18 Uhr und an den Wochenenden auf Anfrage zu sehen.