Zum Festakt 110 Jahre Stammheimer Rathaus hatten die Urban Sketchers Stuttgart vor einigen Wochen ein außerplanmäßiges Treffen veranstaltet. Jetzt sind die Werke der Stadtzeichner fertig gerahmt und für eine kleine Ausstellung in den Stadtbezirk und an den Ort ihres Entstehens zurückgekehrt.

Stammheim - Alles da: Feuertürmchen, Erker und der charakteristische Treppenaufgang – und doch hat jeder der Zeichner etwas anderes in dem historischen Gebäude gesehen. Zum Festakt 110 Jahre Stammheimer Rathaus hatten die Urban Sketchers Stuttgart vor einigen Wochen ein außerplanmäßiges Treffen veranstaltet. Jetzt sind die Werke der Stadtzeichner fertig gerahmt und für eine kleine Ausstellung in den Stadtbezirk und an den Ort ihres Entstehens zurückgekehrt.

 

Bunt oder streng oder locker hingeworfen – auch wenn sich alle mit dem selben Motiv befasst haben, keine der Zeichnungen ähnelt der anderen: Ursula Hartl und Uta Ostertag etwa sind selbst in Stammheim ansässig und daher regelmäßig vor Ort mit Skizzenbuch und Stift unterwegs. Hartl hat nun sogar die ungeliebten Netze eingefangen, die bis zur Sanierung vor Dachlawinen schützen sollen – ein echtes Zeitdokument. Und Ostertag hat sich dem Thema in der Pastelltechnik genähert – unter Stadtzeichnern eine ungewöhnliche Technik, weil der Farbauftrag fixiert werden muss und sich die fertigen Blätter selbst dann nur schwer transportieren lassen.

Denn grundsätzlich wird vor dem Objekt gearbeitet, das legt auch das „Manifest“ dar, das nun ebenfalls im Bezirksrathaus mit aushängt: „Wir zeichnen vor Ort, drinnen und draußen, nach direkter Beobachtung.“ Ferner dokumentiere man seine Umwelt: „Wir zeigen die Welt, Zeichnung für Zeichnung.“ Weil aber das Stammheimer Rathaus gleichzeitig vor der Generalsanierung steht, haben die Zeichnungen auch die Vorboten des Wandels eingefangen: Bauschutt, ein Dixiklo und vor allem die in blaue Folie gehüllte Scheuer, die beim Sketchertreffen unterschiedliche Assoziationen hervorrief, von „Wie bei Christo!“ bis „Sieht aus wie ein Strandhaus am Meer!“

Ein Rathaus, aus verschiedenen Perspektiven gesehen und gezeichnet

Bezirksvorsteherin Susanne Korge ist in den Zeichnungen noch etwas anderes aufgefallen: „Alle haben das Rathaus betrachtet, jeder hat es auf andere Weise gesehen.“ Die Skizze von Markus Rapka weist nun den geübten Strich eines Comiczeichners auf, bei Helene Schirrmacher verblüffen die rätselhaften Farbflecken. Maria Speck und Elvira Günter haben, jede für sich, eine flüchtige Momentaufnahme abgeliefert. Und Gülcin Vomhoff hat sogar den Jubiläumsvortrag an jenem Nachmittag für Personenskizzen genutzt. Susanne Korge ist begeistert: „Ich habe fürs Malen und Zeichnen leider keine Begabung und bewundere umso mehr die Leute, die so was in einer Stunde schaffen – ich könnte das nicht in hundert Stunden!“

Die Stuttgarter Urban Sketchers (STUSK) sind Teil einer 2007 im amerikanischen Seattle ins Leben gerufenen Bewegung, die derzeit rund 180 Gruppen in aller Welt vernetzt. Ihre Treffen, die so genannten Sketchcrawls, finden in der Regel am ersten Sonntag im Monat an wechselnden Orten statt, die über die Sozialen Medien bekannt gegeben werden. Das Tolle daran: Sie stehen allen offen, Laien wie professionellen Künstlern – und man lernt viel voneinander. Spannender Nebeneffekt: Im Urlaub findet sich fast überall eine Urban Sketcher Gruppe, über die man schnell Land und Leute kennen lernt.

Die Zeichnungen fügen sich nun perfekt in die Ausstellung „110 Jahre Stammheimer Rathaus“ ein und werden mit ihr zusammen bis zum großen Umbau zu sehen sein – mindestens aber bis zum Jahresende, wie Korge sagt. Geöffnet ist montags bis freitags von 8.30 bis 13 Uhr, dienstags zusätzlich von 14 bis 16 Uhr und donnerstags von 14 bis 18 Uhr. Wer sich selbst in Sachen Urban Sketching versuchen will: Das nächste Treffen findet am Sonntag, 2. September, von 14 bis 16 Uhr am neuen Stadtmuseum im Wilhelmspalais statt – einfach hinkommen und mitzeichnen!