Es sind eindrucksvolle Bilder, die demnächst in Tamm ausgestellt werden. Bilder von Menschen, denen die Obdachlosigkeit droht, weil sie – aus welchen Gründen auch immer – aus ihrer Wohnung rausmüssen. Tamara Palmer von der Wohnungslosenhilfe sagt im Interview, wieso ihre Initiative wichtig ist.

Region: Verena Mayer (ena)

Kreis Ludwigsburg - Es gibt schönere Themen für eine Ausstellung, aber nicht viel akutere: Der Verlust des Zuhauses. Eine Schau, die an diesem Donnerstag in Tamm (Kreis Ludwigsburg) eröffnet wird, möchte zeigen, dass es jeden treffen kann – aber auch, welche Hilfen es gibt. Für die Macher selbst geht es dabei ebenfalls um die Existenz.

 

Frau Palmer, was gibt es bei der Ausstellung zu sehen: Fotos von geräumten Wohnungen? Oder von verzweifelten Menschen?

Wir zeigen Beispiele von Menschen, die wir beraten haben. Ein Plakat zeigt eine junge Familie, der wegen Eigenbedarf gekündigt wurde. Eines einen alleinstehenden Mann, der seine Wohnung wegen Mietschulden zu verlieren droht. Eine alleinerziehende Mutter mit Kind bekam eine Räumungsklage. Und ein Plakat zeigt einen Mann, der wegen einer Trennung die Wohnung verlassen muss.

Warum ist diese Ausstellung nötig?

Weil wir in den Kommunen Werbung für unser Angebot machen möchten und außerdem die Vermieter sowie Mieter für unsere Beratung erreichen möchten.

Rennen Ihnen die Kommunen nicht ohnehin die Bude ein?

Das ist relativ. Tatsächlich wird unser Angebot gut angenommen. Und in diesem Jahr sind 19 Kommunen dazu gekommen, wo wir beratend tätig sein dürfen. Allerdings kann es unsere Beratung momentan nur geben, weil sie von einem europäischen Hilfsfonds finanziert wird. Ende nächsten Jahres läuft diese Förderung aus. Die Kommunen müssten das Beratungsangebot dann selbst finanzieren – wenn sie es aufrechterhalten möchten.

Was kostet die Kommunen Ihr Angebot, wenn sie selbst dafür bezahlen sollen?

Das hängt von der Einwohnerzahl ab, von der wiederum unser Stellenanteil abhängt. Die Stadt Ludwigsburg zum Beispiel, die bereits in der Gründungsphase dabei war, kommt für die Fortsetzung unserer Arbeit inzwischen selbst auf. Das kostet die Stadt 70 000 Euro. Korntal-Münchingen wiederum bezahlt 19 500 Euro.

Was haben Sie mit dem Projekt schon erreicht?

Für das laufende Jahr gibt es noch keine Zahlen. Aber im vergangenen Jahr war es so, dass wir 150 Fälle hatten – und 122 davon positiv abschließen konnten. Das heißt, wir haben mit den Betroffenen eine neue Wohnung gefunden oder die bestehende sichern können.

Ist das eine gute Quote?

Auf jeden Fall. Das sind mehr als 80 Prozent positiv gelöste Fälle. Jeder einzelne Fall, der nicht obdachlosenrechtlich untergebracht werden muss, ist für alle ein richtig großer Erfolg. In Zahlen bedeutet dies, dass 352 Personen nicht in einem Obdachlosenheim untergebracht werden mussten, 112 von ihnen waren minderjährig.

Ihr Projekt gibt es seit fast vier Jahren. Ist Ihre Arbeit seither leichter oder schwieriger geworden?

Einerseits ist es leichter geworden, weil wir bekannter sind: Je mehr Menschen wissen, dass es uns gibt, desto besser können wir helfen. Andererseits sind die Probleme nicht weniger geworden. Kündigungen gibt es immer, und Wohnraum zu finden, ist immer noch schwer.

Wie zuversichtlich blicken Sie in die Zukunft?

Wir wissen definitiv nicht, wie es geht! Aber wir hoffen, dass es weiter gehen kann.

Wenn es Ihr Angebot nicht mehr gäbe, hätten Kommunen ein viel größeres Problem als die Finanzierung Ihrer Beratung, oder?

Ja! Dann wären die Leute, die eine Kündigung bekommen, wieder ohne Hilfeangebot – und kosten die Kommunen im Zweifel mehr Geld. Weil sie, wenn es ganz schlecht läuft, in eine Obdachlosenunterkunft müssen. Und das ist teuer.

Das Angebot
Die Fachstelle Wohnungssicherung ist angesiedelt bei der Wohnungslosenhilfe Ludwigsburg. Begonnen hat das Beratungsangebot im Jahr 2016 als Pilotprojekt mit anschließender Regelfinanzierung in drei Kommunen. Anfang dieses Jahres konnte das Angebot durch eine Förderung der EU auf nun 23 Kommunen im Landkreis Ludwigsburg ausgeweitet werden. Für sie stehen fünf Berater zur Verfügung. Tamara Palmer, 27, ist die Projektkoordinatorin.

Die Ausstellung
Die Infokampagne startet am Donnerstag, 28. November, um 18 Uhr im Rathaus in Tamm. Als weitere Standorte sind Asperg, Besigheim, Freiberg, Hemmingen, Kirchheim, Marbach, Möglingen, Remseck, Sachsenheim und Sersheim geplant. Zu sehen ist sie jeweils für zwei bis drei Wochen.