Ausstellung in Tübingen Mona Lisa und das Holzauto mit Aufziehmotor
Das Museum der Uni Tübingen zeigt Nachbauten von Leonardo da Vincis Maschinen-Entwürfen. Nur auf die Idee mit dem Fahrrad kam der Universalgelehrte nicht.
Das Museum der Uni Tübingen zeigt Nachbauten von Leonardo da Vincis Maschinen-Entwürfen. Nur auf die Idee mit dem Fahrrad kam der Universalgelehrte nicht.
Tübingen - Es sind schnelle Striche, locker dahingezeichnet, so manches Detail in Vergrößerung. Mit Feder und Tinte hat Leonarda da Vinci einen Hängegleiter zu Papier gebracht – mit großen Schwingen, die beweglich sind. Eine grobe Skizze, die nicht mehr sein kann als die Andeutung dessen, was vielleicht eines Tages abheben könnte.
In der Tübinger Ausstellung Ex Machina werden aus den Skizzen des Renaissance-Künstlers Maschinen zum Anfassen, Kurbeln, Drehen und Bestaunen. Italienische Handwerker haben die Entwürfe auf ihre Weise interpretiert und zumeist aus Holz und Metall allerlei Gerätschaften gebaut, die anlässlich des 500. Todestages des Universalgenies bis Dezember im Rittersaal des Schlosses Hohentübingen zu sehen sind. Die Gipsabgüsse antiker Skulpturen wurden kurzerhand zur Seite geschoben, um genügend Platz zu schaffen für da Vincis rund 50 Konstruktionen. Sie sind schon einige Jahre auf Wanderschaft, touren durch die Welt und sind zuletzt in Spanien aufgebaut gewesen.
Die Besucher werden mit dem verhaltenen Lächeln von Mona Lisa begrüßt. Die Billigkopie des Ölgemäldes aus der Hochphase der italienischen Renaissance Anfang des 16. Jahrhunderts ist umgeben von Kitsch und Kunst, von Merchandisingartikeln mit Da-Vinci-Aufdruck, von Münzen und Filmen. „Wir wollen weg von der Mystifizierung, weg vom Leonardo-Hype“, sagt Ernst Seidl, der Direktor des Museums der Universität Tübingen, und führt von den Devotionalienvitrinen im Eingangsbereich weiter zum Maschinenpark mit Werkstattcharakter. Da steht ein Schwungradkarussell, an dem sich einiges über Zentrifugalkräfte lernen lässt. Ein Schneckengetriebe ist das Herzstück der ziemlich wuchtigen Schubkurbeleinheit. Professor Seidl probiert lieber die Feilenhaumaschine aus, er bedient flott die Handkurbel: Ein Hammerarm schlägt Kerben in die zu behauende Feile. „Das war Grundlagenforschung, was Leonardo gemacht hat“, sagt Seidl über dessen Kugellagerentwürfe. Was heutzutage fester Bestandteil des Maschinenbaus ist, war damals konstruktives Experiment.
Der hochbegabte Autodidakt aus der Toskana hat nicht nur Vogelflugstudien betrieben und anatomische Zeichnungen in unglaublicher Exaktheit gefertigt, er entwarf auch Waffen aller Art. 1482 machte sich da Vinci auf nach Mailand, wo er in die Dienste von Herzog Ludovico Sforza trat und verschiedene Kriegsgeräte zeichnete. „Er war ein militanter Pazifist“, sagt Kurator Frank Dürr und erinnert daran, dass der Forscher Krieg „als bestialische Tollheit“ ablehnte. Kaum eine der visionären Wunderwaffen hätte jemals funktionieren können, erklärt der Kunsthistoriker und sieht die Maschinen als ästhetische Objekte jenseits ihrer Anwendbarkeit und technischen Perfektion. Von der Wand herab hängt eine Riesenarmbrust. Der Sichelwagen, eine Skizze aus der Sammlung Codex Atlanticus, ist ein Mordinstrument auf zwei Rädern. Zerhackte Leichen auf der Zeichnung deuten an, wie die hölzerne Tötungsmaschine in einer Feldschlacht eingesetzt werden könnte.
Bestechend ist die Interdisziplinarität des großen Denkers, der vom Künstler zum Wissenschaftler wurde. „Er trug das Wissen der Zeit zusammen“, sagt Seidl, „den ganzen Kosmos hat er in seinen Zeichnungen festgehalten.“ Auf mehr als 6000 Blättern voller Skizzen und Notizen versuchte er die Naturgesetze zu ergründen, beschäftigte sich mit Mobilität, wagte sich an Utopisches und Hirngespinste.
Sogar die Erfindung des Fahrrads wurde ihm zwischenzeitlich zugeschrieben – , tauchte doch während der Restaurierungsarbeiten des Codex Atlanticus im Jahr 1974 auf der Rückseite eines Skizzenblattes das Bild eines Tretfahrrads auf. Alles Fake, wie sich einige Jahre später herausstellte, die Zeichnung war unecht. In Tübingen ist das Fälschungsfahrrad trotzdem nachgebaut worden. Gleich daneben steht ein Gefährt, das seiner Zeit lange voraus war: Ein Holzautomobil mit einem Federmechanismus, der gespannt werden musste, damit sich der Karren bewegt. Entworfen war es wohl für ein Bühnenspektakel, bei dem das Gefährt wie von Geisterhand bewegt angerollt kam.