Ausstellung in Waiblingen Das älteste Haus der Stadt und seine Geheimnisse

Das Architekturmodell zeigt: Beim Bau der Nummer 20 waren im Jahr 1550 in Waiblingen Profis am Werk. Foto: Gottfried Stoppel

Von der Bruchbude zum Schmuckstück: Eine Ausstellung in Waiblingen verrät, was das älteste Haus der Stadt alles mitgemacht hat – und welches Gebäude ihm den Titel nun streitig macht.

Zu der Zeit, als Giovanni Faiella seinen Vornamen in den hellblauen Putz der Zimmerwand ritzt, ist das Haus mit der Nummer 20 eine abrissreife Bruchbude. Anfang der 1970er Jahre dient das baufällige Fachwerkgebäude in der Waiblinger Weingärtner Vorstadt sogenannten Gastarbeitern als Bleibe. Bis zu 15 Männer aus Italien, Spanien und Griechenland wohnen damals gleichzeitig in dem heruntergekommenen Bau an der Rems. Zu ihnen gehörte Giovanni Faiella, dessen Namen Besucher bis heute an der Wand des Hauses Weingärtner Vorstadt 20 entdecken können, und zwar ziemlich weit oben, denn Faiella schlief in einem Stockbett.

 

Dort, im heutigen Haus der Stadtgeschichte, geht eine kleine Sonderausstellung nun der bewegten Vergangenheit des Hauses auf den Grund. Sie ist bis zum 8. März 2026 zu sehen und erzählt von ehemaligen Bewohnerinnen und Bewohnern quer durch die Jahrhunderte. Von Marie Single zum Beispiel, die mit ihrem Mann in die USA auswanderte, oder von der Weingärtnerswitwe Rebekka Schlegel, die 25 Jahre im Haus wohnte. Weitere Themen sind das Gerberhandwerk, das hier im Gerberviertel, dem ersten Industriegebiet der Stadt, betrieben wurde, und die Gefahren, denen das Haus immer wieder ausgesetzt war – sei es durch Hochwasser und Schlammfluten oder die Abrissbirne.

Abrisspläne in den 1970er Jahren

Letztere drohte dem maroden Haus in den 1970er Jahren, als man in Waiblingen ganz groß dachte – zumindest in Sachen Straßenbau. Für den ständig zunehmenden Verkehr musste eine Lösung her. Die Planer favorisierten eine mehrspurige Tangente entlang des Altstadtkerns. Die breite Straße sollte die Blechlawine vom Alten Postplatz am Hochwachtturm vorbei und mittels Brücke bis über die Rems führen.

Das Fachwerkhaus mit der Nummer 20 hatte in diesen Entwürfen keinen Platz, es sollte einer großen Kreuzung weichen. Etlichen weiteren historischen Gebäuden entlang der Strecke drohte ebenfalls der Abriss. Zahlreiche Hausbesitzer wehrten sich mit einer Unterschriftenliste dagegen. Das Schriftstück, das sie im Juli 1970 an den damaligen Rathauschef Ulrich Gauss richteten, ist ein Exponat in der Ausstellung.

Dass die Nummer 20 später als ältestes Gebäude Waiblingens gehandelt werden würde, war zu dieser Zeit kein Thema. Erst 51 Proben, die Jahre später während der Sanierung den Holzbalken entnommen wurden, zeigten, dass das Voll- und Dachgeschoss des Gebäudes in den Jahren 1550 und 1551 gebaut wurde. Eine Sensation, denn kaiserliche Truppen hatten die Stadt Waiblingen im Jahr 1634 in Schutt und Asche gelegt – bis auf das Gerberviertel, in dem die Nummer 20 und das Nachbargebäude mit der Nummer 22 stehen blieben.

Experten erforschen den Gerberkeller im Nachbarhaus

Das Stadtmodell Foto: Gottfried Stoppel

Dass das Nachbarhaus noch ältere Gebäudeteile vorweisen kann, ist eine relativ neue Erkenntnis: Es wurde schon 1475 gebaut, der Dachstuhl stammt jedoch aus dem Jahr 1799. Das Nummer 20 bleibt somit das „älteste vollständig erhaltene Haus“ Waiblingens. Ein Modell in der Ausstellung zeigt die Handwerkskunst der Zimmerleute früherer Zeiten. Der dreigeschossige Dachstuhl des Gebäudes diente dazu, die gegerbten Häute zu trocknen.

Das Nachbarhaus mit der Nummer 22 bewohnte einst der streitbare Rotgerber Jonas Diepold, der in der Ausstellung auch zu Wort kommt. In seinem Haus sind Reste eines Gerberkellers entdeckt worden. Dort nimmt ein Expertenteam in diesem Jahr Bohrungen vor. Die Fachleute wollen bei ihrem Forschungsprojekt herausfinden, wie stark sich das Gerbergewerbe auf die Umwelt ausgewirkt hat und welche Konflikte die Wassernutzung zwischen Müllern und Gerbern verursachte.

Haus Nummer 20

Ausstellung
Die Sonderschau im Haus der Stadtgeschichte, Weingärtner Vorstadt 20, ist bis 8. März 2026 zu sehen. Geöffnet ist sie dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr.

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