Eine Fotoausstellung im Waiblinger Kulturhaus Schwanen zeigt vom 15. Januar an Fotos sterbenskranker Menschen. Die Fotografen Anna-Lisa Lange und Johannes Wosilat haben trotz ihre jungen Alters bereits viel Erfahrung mit dem Thema gesammelt.
Waiblingen - Worauf kommt es an im Leben? Wofür nimmt man sich Zeit? Anna-Lisa Lange und Johannes Wosilat sind keine 30 Jahre alt, haben in den vergangenen Monaten aber oft über diese Fragen gesprochen – mit jungen und alten Menschen, die wissen, dass sie nicht mehr lange leben werden. Das Fotografenduo hat für die Hospizstiftung im Rems-Murr-Kreis Sterbenskranke porträtiert.
Die Foto-Ausstellung „Brücke der Menschlichkeit – Leben und Sterben im Hospiz“ zeigt auf 30 farbigen und schwarz-weißen Bildern traurige, fröhliche, zu Herzen gehende Momente im Leben todkranker Menschen. Der Anlass für die Ausstellung im Waiblinger Kulturhaus Schwanen ist die Tatsache, dass es im Rems-Murr-Kreis seit 20 Jahren ehrenamtliche Hospizhelfer gibt.
Von Sterbenden offen und herzlich empfangen
Eine dieser Ehrenamtlichen ist die Frau, die Anna-Lisa Lange mit einem todkranken Jungen fotografiert hat. Die zwei sind sich nahe, wörtlich und im übertragenen Sinne, das ist auf den ersten Blick zu sehen. Schützend legt die ehrenamtliche Helferin auf dem Foto ihren Arm um das Kind. Ein persönlicher, intimer Moment. Ein Anblick, der berührt, aber niemanden bloßstellt.
„Wir haben den Anspruch, nichts zu stellen, sondern Motive aus dem Leben zu greifen“, sagt Anna-Lisa Lange. Für sie wie auch für ihren Kollegen Johannes Wosilat hat sich bei jedem Termin erneut die Frage gestellt, wann sie auf den Auslöser drücken darf und wann es Zeit ist, die Kamera beiseite zu legen. Manche Fotos seien ganz schnell entstanden, erzählt Johannes Wosilat, bei den meisten aber haben die Fotografen die Porträtierten zwei oder drei Mal besucht, sie bisweilen auch zum Arzt oder zur Therapie begleitet.
„Ich hatte das Gefühl, die Sterbenden freuen sich über die Aufmerksamkeit, die sie bekommen“, sagt Anna-Lisa Lange. Auch von den Angehörigen sind die Fotografen offen und herzlich empfangen worden: „Viele sagten, sie fühlen sich mit dem Thema allein gelassen und wollen dazu beitragen, dass die Scheu vor dem Tod verloren geht.“ Überzeugungsarbeit mussten die Fotografen vor allem bei den ehrenamtlichen Hospizhelfern leisten, die befürchteten, die Sterbenden könnten zur Schau gestellt werden. Lange und Wosilat haben deshalb vor einem Jahr begonnen, den Ehrenamtlichen in Vorträgen von ihrer Arbeit und ihrem Konzept zu erzählen.
Erste Ausstellung auf der Landesgartenschaus in Gießen
Zugute gekommen ist ihnen dabei, dass sie trotz ihres Alters – Anna-Lisa Lange ist 27 Jahre alt, Johannes Wosilat ein Jahr älter – bereits Erfahrung in diesem Bereich gesammelt haben. Im Auftrag eines Hospizvereins in Hessen haben sie über mehrere Jahre Sterbenskranke fotografiert und eine Ausstellung zusammengestellt, die im vergangenen Jahr auf der Landesgartenschau in Gießen zu sehen war.
„Gießen war eine gute Schule für den Rems-Murr-Kreis“, sagt Anna-Lisa Lange, „wir konnten dieses Mal ganz anders argumentieren.“ Im März vergangenen Jahres haben die beiden ihre ersten Besuche bei den Sterbenden gemacht – mal im Hospiz, mal im Pflegeheim, im Krankenhaus oder im Zuhause. Viele interessante Gespräche habe es bei den Terminen gegeben, sagen die zwei Fotografen. Ihrer Erfahrung nach sind Todkranke meist sehr direkt, sie haben keine Zeit zu verlieren. „Viele sagen, der Tod an sich sei nicht das Beängstigende, sondern das Sterben, die Hilflosigkeit, und dass man so völlig auf andere angewiesen ist“, erzählt Anna-Lisa Lange. Sie sagt, durch diese Begegnungen wisse sie ihre eigene Gesundheit erst richtig zu schätzen.
Ein Bildband zu ihrer Arbeit ist der Traum der Fotografen
Die Arbeit an der Ausstellung hat auch andere Spuren hinterlassen. „Es gab schon sehr traurige Momente, die man erst verarbeiten musste“, sagt Lange. Am besten sei das im Gespräch mit dem Fotografenkollegen gelungen. Trotzdem hätten sich viele der Porträtierten eine große Portion Galgenhumor bewahrt, erzählt Johannes Wosilat: „Jeder stellt sich bei diesem Thema traurige Bilder vor, aber wir zeigen auch viele lebensfrohe Momente.“
Sämtliche Fotos in einem Bildband zu vereinen, das ist ein Herzenswunsch des Duos, das mit seiner Ausstellung das Bild der Hospizarbeit zurechtrücken und Sensibilität für das Thema schaffen möchte. Die durchschnittliche Verweildauer in deutschen Hospizen liege derzeit bei gerade einmal 18 Tagen, weil die Kranken viel zu spät dort einzögen, sagt Wosilat: „Ein Ziel ist es, diese Zeit zu verlängern.“