Im Hauptstaatsarchiv Stuttgart ist eine Ausstellung über König Wilhelm II. eröffnet worden. Dabei werden auch einige von rund 550 Briefen gezeigt, die erst vor kurzem entdeckt worden sind.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Historiker müssen sich bei ihrer Arbeit selten die Frage stellen, ob sie moralisch handeln – Albrecht Ernst vom Hauptstaatsarchiv ist es jetzt so ergangen, als er vor zwei Jahren 550 persönliche Briefe des letzten Königs von Württemberg in Köln und Berlin entdeckte: Durfte er den Inhalt, der persönlich und teils regelrecht intim ist, auswerten? Durfte er, obwohl der König damals die Vernichtung der Briefe gewünscht hat, diese veröffentlichen? Ernst hat sich dafür entschieden, weil die Briefe schlicht eine einzigartige Geschichtsquelle seien, wie es sie von keinem anderen Monarchen Europas gebe.

 

So sagte es Albrecht Ernst am Mittwoch im Hauptstaatsarchiv bei der Eröffnung einer Ausstellung, die das Leben Wilhelms II. im Lichte der neuen Quellen präsentiert (die StZ berichtete am Mittwoch). Das Interesse war überwältigend, wie Archivleiterin Nicole Bickhoff konstatierte – es blieb im riesigen Foyer kaum ein Platz frei.

Das Haus Württemberg begrüßt die Veröffentlichung

Herzog Carl, der heutige Chef des Hauses Württemberg, musste kurzfristig aus gesundheitlichen Gründen absagen, aber sein Sohn Herzog Friedrich übernahm eine erste Einschätzung der Briefe aus Sicht der Familie. Er begrüßte die Auswertung und Veröffentlichung der Briefe; die Edition, die Albrecht Ernst in Arbeit hat, soll bis Jahresende fertig sein. „Es ist gut, dass man auch diese sehr persönlichen Seiten zeigt“, sagte Herzog Friedrich: „Denn es schmälert das Ansehen des Königs nicht, wenn auch einige Ecken und Kanten zu Tage treten.“ Vielmehr trügen die Briefe zu einem besseren Verständnis der Person des letzten württembergischen Königs bei.

Dazu gehört auch das Verhältnis, das Wilhelm II. zu seiner Residenzstadt Stuttgart hatte – es war nicht immer das beste. Wie aus einem der Briefe hervorgeht, die der Sprechkünstler Peter Gorges auf teils humorvolle, teils sehr anrührende Art und Weise vortrug, litt Wilhelm unter den Zwängen des Hofes und der Stadt, was sich nach dem Tod seines kleinen Ulrich im Jahr 1880 noch verschlimmerte. „Die Abneigung gegen dieses Haus [das Kronprinzenpalais], ja ganz Stuttgart hat dadurch eine wahrhaft krankhafte Dimension angenommen, gegen die ich mit Vernunftgründen vergebens operiere“, schrieb Wilhelm. In einem anderen Brief bezeichnete er Stuttgart sogar als Rattennest.

Die Ausstellung im Hauptstaatsarchiv, Konrad-Adenauer-Straße 4, ist noch bis zum 2. Mai zu sehen.