Die Galerie Nieser in Stuttgart-Degerloch zeigt in der Ausstellung „Beauty or truth – Stuttgarter Charakterköpfe“ Schwarz-Weiß-Aufnahmen von Stuttgarter Persönlichkeiten des Fotografen Wilhelm Betz.

Degerloch - Es sind vor allem die Augen, die an seinen Porträtaufnahmen faszinieren: Die Stuttgarter „Charakterköpfe“, die der Fotograf Wilhelm Betz abgelichtet hat, strahlen alle eine besondere Persönlichkeit aus. Es sind interessante und vielfach auch bekannte Menschen, die sich ihm als Modell für ein Shooting zur Verfügung gestellt haben. In einer Ausstellung in der Galerie Norbert Nieser in Degerloch zeigt Wilhelm Betz vom 3. Februar an eine Auswahl dieser Schwarz-Weiß-Porträts.

 

„Beauty or truth“, der Ausstellungstitel, bezieht sich auf ein Zitat der großen Kollegin Annie Leibovitz, die gesagt hat, sie wolle, dass die von ihr Abgelichteten gut aussehen. Auch Wilhelm Betz hat sich zum Ziel gesetzt, die Persönlichkeit seiner Modelle darzustellen und zugleich dem Augenblick eine Dauer zu verleihen. Zu sehen ist seine ganz persönliche Sicht auf die Menschen, unter denen Politiker, Kirchenleute und Galeristen ebenso zu finden sind wie Gastronomen oder Künstler. Durch die Begleittexte der Journalisten Uwe Bogen und Conny Mertz-Bogen bekommen die Gesichter zusätzlich noch eine Geschichte.

Der in Hessen gebürtige Fotograf fand erst spät zu seiner Berufung. Nach dem Studium der Elektro- und Datentechnik in Darmstadt und einem mehr als 40 Jahre andauernden Berufsleben in der IT-Branche absolvierte er mit 60 Jahren ein Zweitstudium für Fotodesign in Stuttgart. Das Faible für Porträt- und Studienfotografie entwickelte er im Laufe einer Semesterarbeit. Die Idee dazu entstand, als er ähnliche Fotos in einem Düsseldorfer Restaurant entdeckte.

Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens

Über seine Frau Karin, für die er 1989 den Lebensmittelpunkt vom Rhein-Main-Gebiet nach Sindelfingen verlegt hat, fand Betz seine Modelle. Als „fleißige Leserin der Stuttgarter Zeitung“, wie er sagt, hat sie ihm Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens vorgeschlagen. So entstand 2016 der Bildband „Stuttgarter Charakterköpfe“, im Herbst 2017 folgte „Charakterköpfe. Stuttgarter Frauen“. Derzeit arbeitet Wilhelm Betz an den „Jungen Wilden“, darunter ist zum Beispiel die DJane Alegra Cole.

Die Arbeit an den Bildbänden sei natürlich eine tolle Gelegenheit, interessante Menschen kennenzulernen, findet Wilhelm Betz. Damit das Ergebnis dann aber auch zufriedenstellend ist, bedarf es nicht nur eines gewissen Einfühlungsvermögens, sondern auch akribischer Vorbereitung. Ein souveräner Umgang mit der Technik, ein individuelles Konzept für jedes Shooting und eine Situation, in der sich die Porträtierten wohlfühlen, sind in seinen Augen die Grundvoraussetzung. Daher arbeitet Betz durchweg mit einem eigenen mobilen Atelier, das er ebenso in einem Erotikstudio wie in der Villa Reitzenstein, dem Amtssitz des Ministerpräsidenten, aufbauen kann.

„Ich beginne immer mit einem weißen Hintergrund“, verrät Betz, „und vor dem Shooting wird gemeinsam mit dem Modell ein sogenanntes Moodboard besprochen“: Gibt es eine Schokoladenseite, in welche Richtung soll der Blick gehen? Soll es mehr Rembrandt oder mehr Caravaggio sein? Einzige Vorgabe: Die Beteiligten tragen schwarze Kleidung. Eine der wenigen Ausnahmen bildet Vincent Klink, der als Koch seine weiße Jacke anbehalten durfte. Besonders wichtig aber – neben dem Licht natürlich – ist aus Sicht des Fotografen ein Monitor, auf dem die Porträtierten unmittelbar nach dem Klick das Ergebnis betrachten können. „Das schafft eine lockere Atmosphäre. Jeder versucht, beim nächsten Mal sein Bestes zu geben“, sagt Betz.

Geschmeichelt wird nicht – bei niemandem

Die so entstandenen Aufnahmen, diesmal vor schwarzem Hintergrund, wirken durch ihre Leuchtkraft und Individualität. „Jede Frau in diesem Buch ist einzigartig, und dies gilt es zu zeigen“, hat Betz in seinem Nachwort zu den Stuttgarter Frauen geschrieben. Für deren Aufnahmen hat er mit einem weicheren Licht gearbeitet, doch schmeicheln will der Fotograf nicht: Falten sind sichtbar, das Alter wird nicht retuschiert. Allerdings gab es Modelle, die zum Shooting einen eigenen Visagisten mitbrachten, andere sind kaum geschminkt. Die Männer dagegen gestaltete Betz etwas rauer, kantiger, manchmal ist die eine Gesichtshälfte verschattet.

Bei der Auswahl für die Bildbände achtete Betz auf die Mischung: Alter, soziale Herkunft, Nationalität, politische Haltung, Profession, all das sollte in einer großen Bandbreite vertreten sein. Dabei hat der Hesse verschiedene Stuttgarter Höhenlagen kennengelernt, von der Dachterrasse mit weitem Blick bis zum Keller des Kings Club. Unter den weiblichen Porträtierten, das fällt auf, sind vier Stuttgarter Museumsleiterinnen. „So hoch ist die Chefinnenquote sonst selten“, kommentiert Betz.

Die Schau der Schwarz-Weiß-Porträts wird am 3. Februar um 20 Uhr eröffnet und ist bis 3. März zu sehen. Die Galerie Nieser, Große Falterstraße 31/3, ist mittwochs bis freitags von 16 bis 18 Uhr und samstags von 10 bis 13 Uhr geöffnet.