Lange wurden Frauen aus der Politik herausgehalten. Seitdem sie wählen dürfen, werden sie von den Parteien umgarnt, wie eine spannende Plakatausstellung in Stuttgart verrät.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Wenn man sich die Dinge noch einmal deutlich vor Augen führt, muss man sich schon fragen: Was hatten Männer eigentlich für ein Problem? Warum mussten sie Frauen über Jahrhunderte hinweg so energisch klein halten? Denn es ist keineswegs so, dass sich Frauen früherer Generationen bescheiden zurückgehalten hätten. Nein, sie forderten ein, sie demonstrierten und stritten – und wurden oftmals rabiat in ihre Schranken gewiesen. Als Frauen etwa bei der Revolution 1848/1849 mehr Mitspracherecht in der Politik einforderten, bekamen sie die Quittung prompt serviert: 1850 wurde ihnen offiziell die Mitgliedschaft in politischen Vereinen und Parteien verboten.

 

Letztlich haben sie es doch geschafft: Vor hundert Jahren durften Frauen erstmals wählen – und die Parteien, die sie lange ignoriert hatten, begannen nun emsig, die Damen zu umwerben. Von heute auf morgen tauchten im öffentlichen Raum Wahlplakate auf, die im Rückblick verraten, wie die Parteien sich die ideale deutsche Frau vorstellten: als biedere Mutti oder als Arbeiterin mit gereckter Faust.

Deshalb ist die Sonderausstellung im Stuttgarter Theodor-Heuss-Haus höchst sehenswert, denn unter dem Titel „ . . .um die Stimmen der Frauen“ wurden hier Wahlplakate zusammengetragen, die bewusst machen, wie stark die Parteien Rollenbilder kultivierten. Außerdem sieht und spürt man, dass selbst die unterschiedlichsten Bilder von Weiblichkeit, die sie entwarfen, am Ende doch immer ideologisch aufgeladen sind.

Die Frau als eine Art Muttergottes

So sind auf einem Plakat der Sozialdemokraten von 1928 zwei junge Frauen mit Bubikopf zu sehen, während die Frau der Zentrumspartei eine Art Muttergottes mit Kind auf dem Arm ist. „Du deutsches Mädel gehörst zu uns!“ lautet 1932 dann die Parole der NS-Frauenschaft, auf deren Plakat hinterm Berg nicht etwa die Sonne aufgeht, sondern ein Hakenkreuz.

1949 gibt die SPD die Devise aus „An der Seite des Mannes ist der Platz der Frau“. Das klingt heute befremdlich, war seinerzeit aber durchaus fortschrittlich gemeint – die Geschlechter sollten nun miteinander agieren. Trotzdem ist man damals noch weit entfernt von ernsthafter Gleichberechtigung. Die Regierung von Konrad Adenauer postuliert ein konservatives Bild der Frau, die in Folge der boomenden Wirtschaft nun zwar immer häufiger auch arbeitet, dies aber in „Leichtlohngruppen“ tut – schlechterer Lohn für körperlich leichtere Tätigkeiten. Auch in der gesellschaftlichen Debatte werden die berufstätigen Mütter nicht allzu sehr geschätzt, sondern als Rabenmütter mit Schlüsselkindern bezeichnet.

Mutti geht einkaufen, Vati verdient das Geld

Auf einem Plakat von 1965 zeigt die CDU, wie sie sich eigentlich das Leben der Frau vorstellt: Mutter und Tochter beugen sich freudig über einen gut gefüllten Einkaufskorb. „Es geht uns gut“, vermittelt das Bild, Mutti macht es der Familie nett, während Vati das gute Geld verdient – und selbstverständlich nicht einkaufen geht.

Viele Jahre gilt es als ausgemachte Sache, dass Frauen eher die Union und Männer die SPD wählen. Das ändert sich erst, als 1972 das Wahlalter auf 18 Jahre gesenkt wird und viele junge Frauen für die SPD votieren. In der Politik sind sie trotzdem noch nicht angekommen, 1972 sitzen gerade mal 5,2 Prozent Frauen im Bundestag, der niedrigste Wert überhaupt. Erst mit den Grünen steigt die Zahl der weiblichen Abgeordneten deutlich an. Mit den Grünen wird der Ton allerdings auch rauer. „Wir Frauen haben es satt“, heißt es auf einem Plakat, auf dem gegen „den atomaren Wahnsinn“, die „schlechtere Ausbildung“ und die „schlechteren Löhne“ gewettert wird.

Warum fürchten sich Männer so stark vor weiblicher Konkurrenz?

Trotz Wahlrecht gab es in den vergangenen hundert Jahren noch viele Bereiche, in denen Männer die Frauen als Konkurrentinnen sahen, die sie mit allen Mitteln zu verdrängen suchten, so dass sich an vielen Stellen der Schau die Frage stellt, warum die Frau eigentlich als so gefährlich betrachtet wird und die Angst vor einem Zusammenleben auf Augenhöhe so groß ist.

„Raus mit den Männern ausm Reichstag“ singt denn auch Claire Waldoff rotzig in einem Lied von Friedrich Hollaender, dem man an einer Hörstation lauschen kann. Und wenn man dann Elisabeth Schwarzhaupt hört, wie sie erzählt, auf welche Weise sie 1961 die erste Ministerin im Kabinett von Konrad Adenauer wurde, dann beschleicht einen das Gefühl, dass Frauen zwar seit hundert Jahren wählen dürfen und inzwischen auch energisch in der Politik mitmischen, aber immer noch nicht mithalten können mit dem, was Schwarzhaupt „Kameraderie der Männer“ nannte.

Ausstellung bis 1. September, Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, Feuerbacher Weg 46