Dabei ist Martin Luther ein schwieriger Jubilar: Sein Judenhass. Seine Vereinnahmung als Nationalheld durch „die imperiale Kraftlackelei“ im Kaiserreich Wilhelms II. (Winkler), seine Aufnahme in die sozialistische Ahnengalerie der DDR 1983, als Honecker und Genossen den 500. Geburtstag des Reformators (und gleichzeitig den hundertsten Todestag ihres Urvaters Karl Marx) feierten. Hitlers Luther-Verehrung. Die pfeilgerade Verbindungslinie, die einige Historiker vom Kirchenrebellen zum Führer zogen . . . Wer anno 2017 Luthers gedenkt, schleppt fünfhundert Jahre politisch unkorrekter Rezeptionsgeschichte mit. Und dann ist da auch noch die verfassungsrechtlich gebotene Trennung von Kirche und Staat, die den Bund bei allem Engagement auf Abstand hält.

 

Der Staat begehe deshalb nächstes Jahr auch kein Kirchenfest, sagt Sigrid Bias-Engels aus dem Haus von Monika Grütters. Auch vom Lutherjahr spricht man ungern, sondern bevorzugt den Terminus Reformationsjubiläum. Martin Luther sei schließlich kein Einzelkämpfer gewesen, er habe Mitstreiter und Vorläufer gehabt, voran Philipp Melanchthon, aber auch Johannes Bugenhagen, den Schwaben Johannes Brenz, den Schweizer Huldrych Zwingli und, hundert Jahre früher, Jan Hus, der – ähnlich renitent wie nachmals Luther – beim Konstanzer Konzil auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde.

Luthers Aufstand gegen das Herrschaftswissen als Bildungsoffensive

In einem Positionspapier der Regierung heißt es, die Reformation sei ein zentrales Ereignis der deutschen Geschichte, dessen „religiöse, gesellschaftliche, politische und kulturelle Auswirkungen weltgeschichtliche Bedeutung erlangten“. Sie habe ein verändertes Menschenbild hervorgebracht, „das auf einem neuen christlichen Freiheitsbegriff beruhte“ und Menschenrechten ebenso wie der Aufklärung den Boden bereitete. Und – da rückt dann doch wieder die einzelne Zentralfigur Luther in den Fokus – die Bibelübersetzung natürlich, die „zur Grundlage der deutschen Literatursprache bis Goethe und noch bis Bert Brecht“ wird (Winkler) und allen halbwegs lesekundigen Deutschen, ja sogar „Weibern und anderen einfältigen Laien“, wie der Luther-Gegner Johannes Cochläus schimpfte, die Heilige Schrift erschließt, ganz ohne klerikale Einmischung.

Der Aufstand gegen das Herrschaftswissen der Papstkirche als Bildungsoffensive. Auch aus diesem Grund wolle die Bundesregierung mit daran erinnern, „dass die Reformation zu den geistigen Wurzeln unseres Gemeinwesens gehört“. Von einer „Selbstvermessung“ spricht der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow. Für ihn, den Linken und gläubigen Protestanten, ist das Jubiläum auch eine Chance, eine öffentliche Wertedebatte zu führen – in einer immer kirchenferneren Zeit, in der doch das „christliche Abendland“ als Kampfbegriff bei „Thügida“-Demos gegen eine offene Gesellschaft ins Feld geführt wird und, wie vor kurzem geschehen, Neonazis am Todestag von Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß einen Sarg mit aufgemaltem Kreuz durch Jena zu tragen versuchen. Bekehren wird man wohl keinen von ihnen im Lutherjahr, aber, sagt Ramelow, „den Schreihälsen die Geschichtsdeutung überlassen, das wollen wir auch nicht“. Gerade an den historischen Stätten der Reformation, so scheint es, wird das Jubiläum dringend gebraucht.

Angeblich warf Luther ein Tintenfass nach dem Teufel

Der offizielle Auftakt findet bereits in diesem Jahr am Abend vor Allerheiligen statt. 499 Jahre vor Luthers Thesenanschlag kommen am 31. Oktober in der Berliner Marienkirche am Alexanderplatz hochrangige Vertreter aus Politik und Kirchen zu einem Eröffnungsgottesdienst zusammen. 2017 macht die Ausstellung „Der Luther-Effekt“ im Berliner Martin-Gropius-Bau den Anfang der drei nationalen Sonderschauen, gefolgt von der Ausstellung „Luther und die Deutschen“ auf der Wartburg, die in der Kemenate des Reformators gipfelt, wo dieser über seiner Bibelübersetzung schwitzte und angeblich ein Tintenfass nach dem Teufel warf. (Man sieht aber weder den Tintenfleck an der Wand noch den echten Schreibtisch des Doktors, da der im Laufe der Zeit von Souvenirjägern Stückchen für Stückchen weggeschnitzt wurde und ersetzt werden musste.) „Luther! 95 Schätze – 95 Menschen“ schließlich führt nach Wittenberg, an den Originalschauplatz des Thesenanschlags. Dort endet dann auch am 31. Oktober 2017 das Jubiläum, wiederum mit einem feierlichen Gottesdienst in der Schlosskirche. Und – frohe Botschaft für alle – zum 500. Jahrestag des Beginns der Reformation ist der 31. Oktober 2017 einmalig in ganz Deutschland ein Feiertag.

Selten zuvor hat der Staat ein Jubiläum so hoch gehängt wie dieses. Per Kabinettsbeschluss – was bei einem Gedenkjahr wahrlich nicht alle Tage vorkommt – wurde die Kulturstaatsministerin beauftragt, die Aktivitäten der Bundesregierung zum Jubiläum zu koordinieren. 41 Millionen Euro lässt sich die Republik das Ereignis kosten, die vielen Fördermillionen nicht eingerechnet, die in die Denkmalpflege geflossen sind, um die Luther-Stätten auf Hochglanz zu bringen. Man rechnet mit Hunderttausenden von Besuchern. Besonders die Kernländer der Reformation, Sachsen-Anhalt und Thüringen, sind entschlossen, das Jubeljahr auch zu ihrem touristischen Nutz und Frommen zu vermarkten.

Luthers Judenhass und seine Vereinnahmung durch Hitler und die DDR

Dabei ist Martin Luther ein schwieriger Jubilar: Sein Judenhass. Seine Vereinnahmung als Nationalheld durch „die imperiale Kraftlackelei“ im Kaiserreich Wilhelms II. (Winkler), seine Aufnahme in die sozialistische Ahnengalerie der DDR 1983, als Honecker und Genossen den 500. Geburtstag des Reformators (und gleichzeitig den hundertsten Todestag ihres Urvaters Karl Marx) feierten. Hitlers Luther-Verehrung. Die pfeilgerade Verbindungslinie, die einige Historiker vom Kirchenrebellen zum Führer zogen . . . Wer anno 2017 Luthers gedenkt, schleppt fünfhundert Jahre politisch unkorrekter Rezeptionsgeschichte mit. Und dann ist da auch noch die verfassungsrechtlich gebotene Trennung von Kirche und Staat, die den Bund bei allem Engagement auf Abstand hält.

Der Staat begehe deshalb nächstes Jahr auch kein Kirchenfest, sagt Sigrid Bias-Engels aus dem Haus von Monika Grütters. Auch vom Lutherjahr spricht man ungern, sondern bevorzugt den Terminus Reformationsjubiläum. Martin Luther sei schließlich kein Einzelkämpfer gewesen, er habe Mitstreiter und Vorläufer gehabt, voran Philipp Melanchthon, aber auch Johannes Bugenhagen, den Schwaben Johannes Brenz, den Schweizer Huldrych Zwingli und, hundert Jahre früher, Jan Hus, der – ähnlich renitent wie nachmals Luther – beim Konstanzer Konzil auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde.

Luthers Aufstand gegen das Herrschaftswissen als Bildungsoffensive

In einem Positionspapier der Regierung heißt es, die Reformation sei ein zentrales Ereignis der deutschen Geschichte, dessen „religiöse, gesellschaftliche, politische und kulturelle Auswirkungen weltgeschichtliche Bedeutung erlangten“. Sie habe ein verändertes Menschenbild hervorgebracht, „das auf einem neuen christlichen Freiheitsbegriff beruhte“ und Menschenrechten ebenso wie der Aufklärung den Boden bereitete. Und – da rückt dann doch wieder die einzelne Zentralfigur Luther in den Fokus – die Bibelübersetzung natürlich, die „zur Grundlage der deutschen Literatursprache bis Goethe und noch bis Bert Brecht“ wird (Winkler) und allen halbwegs lesekundigen Deutschen, ja sogar „Weibern und anderen einfältigen Laien“, wie der Luther-Gegner Johannes Cochläus schimpfte, die Heilige Schrift erschließt, ganz ohne klerikale Einmischung.

Der Aufstand gegen das Herrschaftswissen der Papstkirche als Bildungsoffensive. Auch aus diesem Grund wolle die Bundesregierung mit daran erinnern, „dass die Reformation zu den geistigen Wurzeln unseres Gemeinwesens gehört“. Von einer „Selbstvermessung“ spricht der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow. Für ihn, den Linken und gläubigen Protestanten, ist das Jubiläum auch eine Chance, eine öffentliche Wertedebatte zu führen – in einer immer kirchenferneren Zeit, in der doch das „christliche Abendland“ als Kampfbegriff bei „Thügida“-Demos gegen eine offene Gesellschaft ins Feld geführt wird und, wie vor kurzem geschehen, Neonazis am Todestag von Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß einen Sarg mit aufgemaltem Kreuz durch Jena zu tragen versuchen. Bekehren wird man wohl keinen von ihnen im Lutherjahr, aber, sagt Ramelow, „den Schreihälsen die Geschichtsdeutung überlassen, das wollen wir auch nicht“. Gerade an den historischen Stätten der Reformation, so scheint es, wird das Jubiläum dringend gebraucht.

Angeblich warf Luther ein Tintenfass nach dem Teufel

Der offizielle Auftakt findet bereits in diesem Jahr am Abend vor Allerheiligen statt. 499 Jahre vor Luthers Thesenanschlag kommen am 31. Oktober in der Berliner Marienkirche am Alexanderplatz hochrangige Vertreter aus Politik und Kirchen zu einem Eröffnungsgottesdienst zusammen. 2017 macht die Ausstellung „Der Luther-Effekt“ im Berliner Martin-Gropius-Bau den Anfang der drei nationalen Sonderschauen, gefolgt von der Ausstellung „Luther und die Deutschen“ auf der Wartburg, die in der Kemenate des Reformators gipfelt, wo dieser über seiner Bibelübersetzung schwitzte und angeblich ein Tintenfass nach dem Teufel warf. (Man sieht aber weder den Tintenfleck an der Wand noch den echten Schreibtisch des Doktors, da der im Laufe der Zeit von Souvenirjägern Stückchen für Stückchen weggeschnitzt wurde und ersetzt werden musste.) „Luther! 95 Schätze – 95 Menschen“ schließlich führt nach Wittenberg, an den Originalschauplatz des Thesenanschlags. Dort endet dann auch am 31. Oktober 2017 das Jubiläum, wiederum mit einem feierlichen Gottesdienst in der Schlosskirche. Und – frohe Botschaft für alle – zum 500. Jahrestag des Beginns der Reformation ist der 31. Oktober 2017 einmalig in ganz Deutschland ein Feiertag.