Eine Studioschau im Landesmuseum erinnert an die Kindertage der Stuttgarter Kunstakademie. Sie feiert dieses Jahr ihren 250. Geburtstag.

Stuttgart  - Unterrichtsbeginn sechs Uhr morgens! Langschläfer müssen Nicolas Guibal gehasst haben. Aber der Gründungsrektor der Stuttgarter Académie des Arts setzte wohl nur jene Disziplin durch, die Carl Eugen gefordert hatte. Die 1761 vom Herzog gestiftete Lehranstalt ist die Vorläuferin der heutigen Kunstakademie auf dem Weißenhof.

 

Akademien schossen im neoklassizistischen 18. Jahrhundert wie Pilze aus dem Boden, kaum eine jedoch war in den Anfängen so stark von militärischem Geist beherrscht wie die in Stuttgart. Auch das entnimmt man der kleinen Studioschau, mit der sich das Landesmuseum Württemberg einer Ausstellungsserie zum 250. Akademie-Geburtstag anschließt. Bereits kurz nach ihrer Eröffnung gingen Guibals Kunstklassen in der soldatisch dominierten Hohen Carlsschule mit ihrem breiteren Fächerangebot auf. Unterwiesen wurden die Eleven nicht nur im Zeichnen und Malen, sondern auch im Festungsbau, der Artillerietechnik sowie der Gärtnerei, weswegen die Schau den Titel "Mit Pinsel, Feder und Gießkanne" trägt.

Auch Waisen und Tagelöhnerkinder durften studieren

Die antikisierend gewandeten Allegorien der Architektur und der Medizin, die Guibals Zöglinge wohl nach Entwürfen des Meisters schufen, gehören zwar kaum zu den künstlerischen Höhepunkten ihrer Zeit, doch darauf kommt es der Auswahl von Gemälden, Objekten und Dokumenten im Alten Schloss auch nicht an. Sie will den Kindertagen der Kunstakademie kulturhistorisch nachspüren. Den Eintretenden empfangen Schattenrisse, Schulsiegel und der frisch restaurierte Entwurf zur Marmorstatue Carl Eugens. Keine Frage, mit der Akademiegründung verfolgte der Schwabenregent das nicht uneigennützige Ziel, sich selbst als Förderer des Schönen, Wahren und Guten zu profilieren. Im Zeichensaal, so zeigt es ein Jakob F. Weckherlin zugeschriebenes Bild, kopierten die Studenten denn auch gern die Porträts ihres gnädigen Herrschers.

Dennoch waren Lehrplan und Ausbildungsphilosophie recht fortschrittlich. So ermöglichte die vom Herzog gewünschte soziale Durchlässigkeit auch Waisen und Tagelöhnerkindern den Zugang zu höherer Bildung. Die Annalen berichten sogar von Gaststudenten aus Russland und Indien. Hätte es im 18. Jahrhundert ein Hochschulranking gegeben, die Carlsschule wäre weit oben gelandet.

Zu ihren Alleinstellungsmerkmalen gehörte beispielsweise der Unterricht in modernen Fremdsprachen. Auf der Solitude, wo Württembergs spätfeudalistische Kaderschmiede die meiste Zeit untergebracht war, galt aber auch eine Pädagogik des permanenten Wettkampfs. Den Fleißigsten winkten silberne Medaillen und bessere Verpflegung. Ein Stud. med. namens Friedrich Schiller durfte sich für seine Leistungen in der Chirurgie über eine Ehrenurkunde freuen. Von dem soldatischen Bildungsdrill hatte der nachmalige Dramatiker zwar bald schon genug, trotzdem war er seiner alten Ausbildungsstätte später dankbar. Ohne den Englischunterricht hätte er niemals die Quellen zu seiner "Maria Stuart" lesen können. Thank you, Carl Eugen.

Bis 11. September, Di-So 10-17 Uhr.